Sant’Egidio verurteilt Hinrichtungsart in US-Bundesstaat

"Kaum vorstellbare Unmenschlichkeit"

Obwohl ihr Appell an die Gouverneurin von Alabama kaum Aussicht auf Erfolg hat, versucht die katholische Gemeinschaft Sant’Egidio, die Hinrichtung des Mörders Kenneth Smith noch zu stoppen. Vor allem die Hinrichtungsart sei grausam.

US-Flagge in einem amerikanischen Gefängnis / © travelwild (shutterstock)
US-Flagge in einem amerikanischen Gefängnis / © travelwild ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zum ersten Mal will ein Staat einen Menschen mit reinem Stickstoff exekutieren. Warum ist das besonders grausam? 

Matthias Leineweber / © Anne Ackermann (KNA)
Matthias Leineweber / © Anne Ackermann ( KNA )

Matthias Leineweber (Zweiter Vorsitzender der Gemeinschaft Sant'Egidio e.V.): Weil es eine Methode ist, die nicht erprobt ist. Eine Hinrichtung an sich ist ja schon eine grausame Angelegenheit. Wenn wir aber überlegen, dass dieser Mann bereits einen Hinrichtungsversuch überlebt und diesen grausamen Kampf mit dem Tod durchgestanden hat, können wir vielleicht ansatzweise nachvollziehen, wie schlimm das wirklich ist.

Jetzt wollen sie auch noch diese neue Methode einsetzen, die teilweise noch nicht einmal für Tiere zugelassen ist, weil sie als so grausam gilt. Angesichts dessen ist es doch unvorstellbar, dass ein zivilisierter Staat wie Alabama oder die Vereinigten Staaten so etwas zulassen. 

DOMRADIO.DE: Sie von Sant’Egidio haben einen Last-Minute-Appell an die Gouverneurin von Alabama gestartet, die Todesstrafe für Kenneth Smith doch noch auszusetzen. Haben Sie Rückmeldung bekommen? 

Leineweber: Nein, es hat sich nichts getan. Auch die Einsprüche der Rechtsanwälte sind bis jetzt abgewiesen worden. Es sieht leider so aus, als ob diese Methode wirklich zum ersten Mal in der Geschichte angewendet werden wird.

DOMRADIO.DE: Trotz geringer Aussichten auf Erfolg haben Sie gegen die Vollstreckung Einspruch erhoben. Warum?

Leineweber: Wir dürfen einen solchen Rückschritt nicht akzeptieren. Wir haben in den vergangenen Jahre sehr erfolgreich gegen die Todesstrafe gekämpft. Viele Staaten haben in den letzten Jahren die Todesstrafe abgeschafft, auch US- Bundesstaaten. Mit diesem Schritt fallen wir aber jetzt wieder in quasi vormittelalterliche Zustände zurück.

Wenn wir diese Methode betrachten, ist sie im Klartext gesprochen nicht anderes als eine Vergasung. Da haben wir als Deutsche sicher eine besondere Sensibilität, wenn wir an unsere Geschichte denken. Keiner von uns will doch zulassen, dass so etwas wieder geschieht.

DOMRADIO.DE: Kenneth Smith hatte einen ersten Hinrichtungsversuch überlebt, weil es den Vollstreckern über Stunden nicht gelang, ihm einen Zugang für die Giftspritze zu legen. In einem Interview bezeichnete sich Smith danach als traumatisiert. Er sei total allein gewesen in einem Raum voller Leute, von dem niemand versucht habe, ihm zu helfen. Was zeigt das? 

Leineweber: Das zeigt ein Maß an Unmenschlichkeit, das man sich kaum vorstellen kann. Da ringt jemand unter Beobachtung von Zeugen mit dem Tod, alle warten darauf, dass er stirbt, er selbst aber kämpft um sein Leben. Das ist wirklich kaum vorstellbar.

Wir müssen noch entschiedener aufklären, dass solche grausamen Antworten keine Lösung sind für das grausame Verbrechen, das der Verurteilte begangen hat. Wenn ein Staat selbst solche grausamen Methoden anwendet, wie will er dann verhindern, dass Menschen grausame Mittel anwenden? Das ist ein großer Widerspruch. 

DOMRADIO.DE: Kenneth Smith ist ein verurteilter Mörder. Er war Ende der 1980er Jahre am Auftragsmord an einer Pfarrersfrau beteiligt. Damals hatte er selbst kein Mitleid mit seinem Opfer. Verdient er da denn Mitleid? 

Leineweber: Wenn wir im Strafvollzug auf Rehabilitation setzen, ist das nur möglich, wenn wir einem Straftäter Wege aufzeigen, wie er ohne Grausamkeit und menschlich handeln kann; dass das für ihn ein besserer Weg ist. Für mich gibt es keine Alternative. Auch nicht im Strafvollzug mit Schwerverbrechern. 

DOMRADIO.DE: Sie treten seit langem für ein weltweites Verbot der Todesstrafe ein und haben mit Papst Franziskus einen prominenten Mitstreiter. Was ist denn seine und Ihre Position? 

Leineweber: Wir sind Papst Franziskus sehr dankbar, dass er 2018 den Katechismus der katholischen Kirche dahingehend geändert hat, dass die Todesstrafe in keinem Fall und unter keinen Umständen mehr zulässig ist. Das war vorher etwas vage. So hat der Papst die katholische Kirche noch einmal ganz entschieden auf den Weg zum Einsatz für eine Welt ohne Todesstrafe gebracht, zum Einsatz für alternative Mittel, um Gewalt und Verbrechen zu bekämpfen. Das ist sehr wichtig.

Ich glaube, wir brauchen außerdem Menschen guten Willens außerhalb der Kirchen, außerhalb von Religionen, in anderen Organisationen, die gerade auch jetzt, wo wir so viel Gewalt und Zunahme von Konflikten erleben, neue Wege zur Lösung von Konflikten und schwieriger Situationen finden. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Gemeinschaft Sant'Egidio

Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere; ihr deutsches Zentrum ist seit 1983 Würzburg. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt.

Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR