Sacharow-Preis für Dissidenten Hu Jia ungeachtet chinesischer Proteste

Ehrung trotz Warnung

Der Druck aus Peking führte nicht zum Ziel. Den Sacharow-Preis des Europaparlaments erhält in diesem Jahr der chinesische Dissident Hu Jia. Die Entscheidung der Fraktionsvorsitzenden wurde am Donnerstag von Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering mitgeteilt. Vorher hatte China die Abgeordneten davor gewarnt, Hu Jia auszuzeichnen. Für die Staatsführung ist Hu Jia ein "Anstifter zum Staatsumsturz".

 (DR)

Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und China werde die Folge sein, schrieb Chinas EU-Botschafter Song Zhe an Pöttering. Mit den Einschüchterungsversuchen, von denen auch mehrere Europaabgeordnete berichteten, hat sich die Volksrepublik einen Bärendienst erwiesen. Letzte Zweifel an der Berechtigung des Preises für den im April zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten Dissidenten dürften damit ausgeräumt gewesen sein. Freilich: Als Favorit galt Hu Jia schon in den vergangenen Wochen - nicht zuletzt, weil der von Grünen und Liberalen vorgeschlagene chinesische Dissident unter anderem wegen der Beteiligung an einer Telefonkonferenz mit einem Europaparlaments-Ausschuss verhaftet wurde. Die Entscheidung für den Chinesen hatte sich wohl zudem verfestigt, als er beim Friedensnobelpreis nicht zum Zuge kam.

Pöttering ließ bei der Bekanntgabe erkennen, dass die Abgeordneten den Fall des Dissidenten als symptomatisch für die Zustände in der Volksrepublik China erachten. Er sagte, mit der Preisvergabe unterstütze das Europaparlament «die Entschlossenheit und den täglichen Kampf für Freiheit aller Verteidiger der Menschenrechte in China». Pöttering würdigte den Einsatz Hu Jias für die Umwelt, für Aids-Kranke und für die Einhaltung der Menschenrechte.

Hu Jia hatte 2007 - wegen seines Einsatzes für Menschenrechte schon unter Hausarrest - an einer Video- und Telefonkonferenz des Europaparlaments in Brüssel teilgenommen. Bald darauf wurde er verhaftet. Im April wurde er wegen «umstürzlerischer Machenschaften» verurteilt. Chinas EU-Botschafter erklärte dagegen in dem in Straßburg bekanntgewordenen Schreiben an Pöttering, der Dissident habe Gerüchte und Verleumdungen verbreitet und zu Subversion gegen die Regierung aufgerufen. Er habe Ausländer illegal zu den Olympischen Spielen bringen wollen und Gelder aus dem Ausland angenommen. Hu Jia sei daher streng nach Gesetzeslage verurteilt worden. Die Verleihung des Preises an Hu Jia wäre damit «eine erneute Verletzung des chinesischen Volkes», so der Botschafter in Anspielung auf den Streit um die Menschenrechte im Vorfeld der Olympischen Spiele.

Die Europaabgeordneten folgten der Argumentation der Führung in Peking freilich nicht. Das Parlament warf Peking vielmehr vor, nun auch noch die Gesundheit des Dissidenten zu gefährden. Pöttering sagte, Hu Jia leide an Leberzirrhose; ihm werde eine regelmäßige medizinische Versorgung verweigert. In der Einsamkeit seiner Gefängniszelle kämpfe Hu Jia allein gegen die Krankheit. Chinas Botschafter bezeichnete dagegen Berichte über gesundheitliche Probleme des Dissidenten als überzogen. Er sei in Behandlung und befinde sich in guter Verfassung.

Der Sacharow-Preis ist nicht die erste Ehrung für Hu Jia, für den sich auch Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international oder «Reporter ohne Grenzen» einsetzen. Gemeinsam mit dem Dalai Lama wurde er im April zum Ehrenbürger von Paris ernannt, auch damals schon unter chinesischem Protest.

Zur Wahl für den diesjährigen Sacharow-Preis hatten außer ihm auch der weißrussische Oppositionspolitiker Alexander Kosulin und der Vorsitzende der unabhängigen Wahlkommission im Kongo, der Geistliche Apollinaire Malu Malu, gestanden. Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wird traditionsgemäß während der Dezember-Sitzung des Europaparlaments in Straßburg verliehen. Hu Jia selbst freilich wird wohl kaum zu der Feier am 17. Dezember reisen können.