Ruhrtriennale 2009-2011 sucht nach Urstoff menschlicher Existenz

Kunst, Religion und Liebe

Die Ruhrtriennale, weltweit gefeiertes Festival für Musik, Theater, Literatur und Tanz, wartet in ihrer 3. Ausgabe ab Samstag mit einer ganz speziellen Thematik auf. In dem dreijährigen Zyklus von 2009 bis 2011 will sie das "Spannungsfeld zwischen Kunst und Kreativität und dem Urmoment des Religiösen" erforschen. Dabei richtet sie 2009 ihren Blick auf den jüdischen Kulturkreis, 2010 auf die islamische und 2011 auf die buddhistische Kultur.

 (DR)

Was das bedeutet und wie das geschehen soll, bringt Intendant Willy Decker so auf den Punkt: «Wenn ich große Kunst erlebe, weiß ich, dass ich große Kunst erlebe, und kann es doch weder erklären noch beweisen». Genauso verhalte es sich mit den Begriffen Liebe und Religion, in deren Namen Menschen ihre schönsten und schrecklichsten Taten vollbrächten. Ihre gemeinsame Tragödie bestehe darin, «dass sie nicht gesagt, sondern nur erlebt werden können». Beim puren Erklingen der Worte sei dagegen jeder sofort einem Bombardement von Deutungen ausgesetzt. Der Moment davor, das sei «der Urmoment, um den es in der kommenden Triennale gehen soll». Im Zentrum die Frage nach dem Ursprung, der gemeinsamen Quelle von Kunst, Religion und Liebe.

Große Werke, die jüdische Kultur und Gedanken umschreiben, stehen im Mittelpunkt des Programms vom 15. August bis 11. Oktober 2009. Opernregisseur Decker selbst inszeniert Arnold Schönbergs Zwölfton-Oper «Moses und Aron» frei nach dem 2. Buch Mose aus dem Alten Testament. In dem Konzert «Jerusalem» stellen jüdische, christliche und muslimische Musiker an mehreren Abenden das Schicksal der Heiligen Stadt vor. In Texten und Musikstücken erzählen sie von Menschen, die ihre Geschichte prägten und die mit ihren Hoffnungen und Verzweiflungen in ihr lebten und leben.

«Tamar» heißt eine musikalische Installation von Rupert Huber über die mythische Bedeutung der Dattelpalme, dem Baum des Lebens, der inmitten des Gartens Eden steht. Darin wird auch Karlheinz Stockhausens Textkomposition für intuitive Musik «Goldstaub» zur Aufführung kommen, vor der nach Anweisung des Komponisten gefastet werden muss. Das Projekt «Sing für mich, Tod» mit Texten des Dramatikers Albert Ostermaier rekonstruiert Leben und Wirken des kanadischen Komponisten Claude Vivier (1948-1983), dessen Werk von seiner unbekannten Familienherkunft und seinen religiösen Bekenntnissen geprägt ist.

In der Gattung Schauspiel sticht Heinrich von Kleists «Der zerbrochene Krug» hervor. Andrea Breth inszeniert das Lustspiel um den Dorfrichter Adam, der bei einem nächtlichen Besuch bei Eve den kostbaren Krug der Mutter zerbricht und beim Prozess am Tag darauf als Täter entlarvt wird. Weitere Höhepunkte sind die Konzerte «Heaven and Hell» von Marianne Faithfull und «Love and Death» von Iggy Pop. Ein ganz besonderes Highlight, das allerdings nur wenig mit der vorgegebenen Thematik zu tun hat, ist der Auftritt von Opern-Star Anna Netrebko an der Seite des italienischen Tenors Massimo Giordano. Auf dem Programm stehen Arien und Duette aus Opern und Operetten von Donizetti, Verdi, Gounod und Puccini.

Geplant ist auch eine Symposium «Fluch und Segen» des «Zeit»-Forums Kultur über die derzeitige Renaissance religiöser Überzeugungen und Glaubensformen. Unter Leitung des Herausgebers der Wochenzeitung «Die Zeit», Josef Joffe, diskutieren der Historiker Michael Wolffsohn, der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Walter Homolka, der Literat Martin Mosebach und die Publizistin Necla Kelek.

Etwas ganz Besonderes sind die Schauplätze der Ruhrtriennale. Die großen Industriedenkmäler der Region wie die Zeche Zollverein in Essen, der Landschaftspark Duisburg-Nord, die Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck und die Jahrhunderthalle in Bochum sind spektakuläre Aufführungsorte des Geschehens. Der von ihnen ausgehende «Impuls einer Bewegung in die Tiefe» wolle die Ruhrtriennale aufnehmen, meint Decker. «So wie industrielle Kraft den Urstoff der Kohle gefördert hat, wollen wir nach dem geistigen Urstoff menschlicher Existenz graben.»