Wegen des «Niedergangs» der SPD sei die CDU die einzige Volkspartei. Sie müsse deshalb ihre Rolle neu definieren und unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse noch besser als bisher integrieren.
Bildung ist kein "Allheilmittel"
Zu Forderungen von CDU-Chefin Angela Merkel nach «Bildung für alle» als Schlüssel zur Bewältigung der sozialen Probleme in der Gesellschaft schrieb Rüttgers, dies sei nicht für alle ein Allheilmittel. «In diesem Land gibt es auch Menschen, denen es nicht gelingt, durch mehr Bildung auch mehr Wohlstand zu erlangen - Menschen, die keine Bildungsangebote mehr bekommen, weil sie den harten Anforderungen des Arbeitsmarktes scheinbar nicht genügen.» Auch um diese Menschen müsse sich die CDU kümmern.
Auch im Spiegel hatte sich Rüttgers kritisch zu den Vorschlägen von Angela Merkel geäußert. Zwar sei eine optimale Ausbildung für junge Leute wichtig. Doch wenn ein 55-jähriger Lagerist seinen Job verliere, habe er kaum noch Chancen, durch Fortbildung eine neue Stelle zu finden, merkte Rüttgers dazu an. Diese Menschen müssten daher durch das soziale Netz aufgefangen werden.
Mit dieser Kritik im Spiegel bezog sich Rüttgers auch auf die "Berliner Rede" von Bundespräsident Köhler. Dieser hatte zu neuen Reformen aufgerufen und gemahnt, dass die Agenda 2010 nicht zurückgedreht werden dürfe.
Kritik aus der Union
Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion Wolfgang Bosbach (CDU), wies die Kritik von Rüttgers an Köhler und Merkel zurück. «Ich verstehe unter Reformen nicht eine Reduzierung des Sozialstaates», sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Montagausgabe). «Möglicherweise ist das die Sorge von Jürgen Rüttgers. Aber das hat keiner gesagt. Und das hat der Bundespräsident auch ganz sicher nicht gemeint», betonte Bosbach. Bei den Reformen gehe es vielmehr darum, die Bildungschancen zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft zu erhöhen.
Kritik erntete Rüttgers auch aus der ostdeutschen CDU. «Wir machen Politik nicht für Meinungsumfragen», sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, dem «Kölner Stadt-Anzeiger». «Die CDU hat den Anspruch, Politik für die Menschen zu machen und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Wenn dazu Reformen notwendig sind, muss man sie machen.»
FDP setzt auf Bildung
Auch FDP-Landeschef Andreas Pinkwart widersprach Rüttgers. «Beste Bildung ist unser Konzept, allen Menschen die größten Lebensperspektiven und Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen», sagte der Vize-Ministerpräsident. «Beste Bildung ist in der globalen Wissensgesellschaft die Grundlage für Wohlstand und soziale Sicherheit für alle», sagte der NRW-Wissenschaftsminister.
FDP-Bundesvize Pinkwart lobte auch die jüngste Rede von Bundespräsident Horst Köhler. «Wir sehen uns in der Rede des Herrn Bundespräsidenten eindeutig bestätigt in dem, was wir hier in NRW seit drei Jahren machen - und zwar mit großem Erfolg», sagte Pinkwart. NRW sei «der Erneuerungsmotor in Deutschland».
Rüttgers will Rolle der CDU neu definieren - Kritik an Merkel und Köhler
"Einzige Volkspartei"?
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident verlangt eine grundlegende Neuorientierung der CDU. Die Partei dürfe nicht in einzelne Flügel zerfallen, schrieb Rüttgers in einem Gastbeitrag für die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post". Wirtschafts- und Sozialpolitik dürften nicht als Gegensätze, sondern müssten als Einheit verstanden werden.
Share on