Rückhalt für Kurschus in Landeskirche

Kritik von Betroffenen

Die wegen eines Missbrauchsverdachts im Umfeld unter Druck geratene Präses Annette Kurschus erhält Rückendeckung von ihrer Landeskirche. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche will am Montag eine persönliche Erklärung abgeben.

Autor/in:
Norbert Demuth
Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD / © Stefan Puchner (dpa)
Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD / © Stefan Puchner ( dpa )

Vor der angekündigten persönlichen Erklärung der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat die Westfälische Kirchenleitung ihr den Rücken gestärkt.

Michael Bertrams, Mitglied in der Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, schreibt im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag online), er halte "die Vorwürfe gegen Kurschus und insbesondere Rücktrittsforderungen für unangemessen".

Kurschus (60) wehrt sich gegen Recherchen der "Siegener Zeitung", wonach sie als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein soll, diese aber nicht gemeldet habe.

Berufung auf fehlende Erinnerung hat "bitteren Beigeschmack"

Dass sie sich daran nicht erinnern könne, sei nicht glaubhaft, so der Vorwurf. Seit 2012 ist Kurschus Präses und damit leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen. 2021 wurde sie zusätzlich an die Spitze des EKD-Rates gewählt.

Im Bischofshaus des Erzbistums Köln findet eine Razzia statt / © Theodor Barth (KNA)
Im Bischofshaus des Erzbistums Köln findet eine Razzia statt / © Theodor Barth ( KNA )

Bertrams betonte: "Ich bin mir darüber im Klaren, dass eine Berufung auf fehlende Erinnerung in der öffentlichen Wahrnehmung - nicht erst seit dem Fall Woelki in Köln - einen bitteren Beigeschmack hat." Das dürfe jedoch nicht dazu führen, "derjenigen, die erklärt, sich bei bestem Willen nicht erinnern zu können, von vornherein und ausnahmslos die Glaubwürdigkeit abzusprechen".

In fester Überzeugung von ihrer Glaubwürdigkeit und Integrität sei es ihm "ein großes Bedürfnis, Annette Kurschus in voller Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Kirchenleitung öffentlich meine und unser aller Solidarität zu bekunden", so Bertrams.

Er war von 1994 bis 2013 Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen und des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Bertrams gehört seit 2012 als gewähltes nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen an.

Erklärung von Kurschus am Montag 

Kurschus will sich am Montag um 11.00 Uhr in Bielefeld an die Öffentlichkeit wenden. Bei der EKD-Synode zu Beginn der vergangenen Woche in Ulm hatte die Geistliche dem Bericht der "Siegener Zeitung" widersprochen: Sie habe erst zu Beginn dieses Jahres von dem Fall erfahren.

Die Zeitung beruft sich hingegen auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit eidesstattlichen Versicherungen.

Katsch: Sehe Parallele zu Woelki

Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, schrieb auf der Kurznachrichtenplattform X, die "katholische Lösung" im Fall Kurschus sähe so aus: "Kardinal Woelki würde einfach erklären, er sei zwar eventuell bei dem Treffen im Garten dabei gewesen, aber habe gar nicht zugehört oder jedenfalls nichts verstanden. Und wer das Gegenteil behauptet, wird verklagt."

Matthias Katsch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Katsch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Kölner Erzbischof steht seit Jahren wegen seines Umgangs mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kritik.

Unterdessen übten Missbrauchsbetroffene scharfe Kritik an Kurschus: "Annette Kurschus ist für uns nicht mehr tragbar", sagte der Sprecher des EKD-Beteiligungsforums, Detlev Zander, der "Rheinischen Post" (Samstag). Durch ihr Verhalten werde die Arbeit des Beteiligungsforums gefährdet. Betroffene würden retraumatisiert.

"Wenn ich mich hinstelle und erkläre, das Thema Aufarbeitung von sexueller Gewalt sei Chefinnensache, ist ihr derzeitiges Verhalten widersprüchlich und unglaubwürdig", sagte Zander. Kurschus habe das Beteiligungsforum nur einmal besucht.

Auch in der aktuellen Situation hätte er erwartet, dass Kurschus das Forum informiere. "Was ich von ihr fordere, ist eine öffentliche Entschuldigung für ihr Verhalten", so Zander.

Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW)

Die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen setzt in ihrem Aufbau bei den Kirchengemeinden ein. Die 490 Kirchengemeinden sind zu Kirchenkreisen zusammengeschlossen. Die Kirchenkreise nehmen den Auftrag der Kirche in ihrem Bereich wahr. Sie fördern die Gemeinschaft der Gemeinden, stellen Qualität und Erfahrungsaustausch in den verschiedenen Arbeitsbereichen sicher und übernehmen die Trägerschaft gemeinsamer Dienste. Die Angebote der gemeinsamen Dienste treten neben die Angebote der Kirchengemeinden, um in wechselseitiger Ergänzung dem Auftrag der Kirche nachzukommen.

Martin Luther: Eine Dekade wert? (epd)
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Quelle:
KNA