"Die Faszination dieser Abende ist, dass man Kirche ganz anders und neu erleben kann als sonst", sagt Andreas Süß über Nightfever. Zusammen mit seiner damaligen Kommilitonin Katharina Fassler organisierte Süß vor 20 Jahren den ersten Nightfever-Abend. Er fand am 29. Oktober 2005 in der katholischen Kirche Sankt Remigius in Bonn statt.
Was als spontane Idee nach dem Weltjugendtag in Köln begann, hat sich inzwischen zu einer weltweiten Gebetsinitiative entwickelt. Heute gibt es Nightfever-Abende in über 80 Städten in Deutschland und in 27 weiteren Ländern. Das Konzept: Junge Erwachsene öffnen Kirchen an Samstagabenden für Menschen jeden Alters. Passanten werden eingeladen, für einen Moment der Stille einzutreten.
Kerzen, Gespräche, Segen
In der Kirche brennen Kerzen, indirekte Beleuchtung und Musik sorgen für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Zudem stehen Geistliche für Gespräche bereit oder erteilen den Segen. "Jeder kann kommen und gehen, wann er möchte", erklärt Süß der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Viele bleiben lange, manche sogar die halbe Nacht."
Das wichtigste Erkennungsmerkmal ist die eucharistische Anbetung. Dabei versammeln sich Gläubige zum Gebet vor einer geweihten Hostie, die meist in einem kostbaren Gefäß, einer Monstranz, auf dem Altar ausgestellt wird. Katholiken glauben, dass Jesus Christus als Sohn Gottes in diesem Stück Brot dauerhaft und leibhaftig gegenwärtig ist, wenn es in einer Messfeier von einem Priester konsekriert wurde.
Feierlicher Gottesdienst
Anlässlich des nun 20-jährigen Bestehens gab es am Samstagabend in Sankt Remigius Bonn einen feierlichen Gottesdienst mit dem Paderborner Weihbischof Matthias König. Es folgte der klassische Nightfever-Abend mit Gebet, Musik, Gesprächsangeboten und offener Kirche.
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, würdigt die Initiative in einem Grußwort: Besonders beeindrucke ihn, dass junge Menschen selbst die Protagonisten seien. "Jede und jeder ist eingeladen, egal, wie nah oder fern sie oder er sich dem Glauben fühlt." Nightfever zeige, so Bätzing, "dass Kirche offen, jung und lebendig sein kann".
Warnung vor Zweckentfremdung
Neben der Anerkennung gab es jedoch auch zurückhaltende Stimmen. Gegenüber der KNA wies Patrik Höring, Professor für Religionspädagogik mit Katechetik an der Theologischen Fakultät Trier, darauf hin, dass die im Zentrum von Nightfever stehende eucharistische Anbetung nicht zweckentfremdet werden dürfe.
"So wichtig Räume der Stille und der Kontemplation sind, als Instrument einer Mission nach außen eignet sich Anbetung eher nicht", so Höring. Denn sie setze den Glauben an die Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie voraus, ansonsten erschließe sich dem Betrachter der wahre Sinn nicht. Höring fragt sich zudem, ob nicht die Wiederentdeckung der Eucharistie als gemeinschaftliche Feier von Tod und Auferstehung Jesu im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils eine reine Schaufrömmigkeit obsolet gemacht habe.
Offene Kirchen und stille Begegnungen
Der Faszination Nightfever tun kritische Anfragen indes keinen Abbruch. Süß, der inzwischen Leitender Pfarrer in Neuss und Korschenbroich ist, erklärt, man erreiche Menschen, die man sonst nicht erreichen würde. Zur Atmosphäre gehöre auch, dass sie bereits an der Kirchentür sehen, dass sie herzlich willkommen sind.