Roussef wird Brasiliens Präsidentin - Kritik von alternativem Nobelpreisträger

Enttäuscht von der Politik

Aus Anlass der Präsidentschaftswahlen in Brasilien hat der Träger des diesjährigen Alternativen Nobelpreises, Bischof Erwin Kräutler, eine kritische Bilanz der Amtszeit von Präsident Lula da Silva gezogen. Die Strategie, Lebensmittel an die armen Menschen zu verteilen, sei falsch gelaufen. Auch seine Nachfolgerin bekommt ihr Fett weg.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (KNA)
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff / ( KNA )

Insgesamt sei es versäumt worden, Arbeitsplätze zu schaffen und eine Landreform durchzuführen, damit sich "die Menschen selbst helfen können", sagte der in Brasilien tätige katholische Bischof am Wochenende dem österreichischen Rundfunk. Enttäuscht zeigte sich der aus Österreich stammende Bischof von der neuen Präsidentin: Dilma Roussef habe bislang nicht wirklich ein politisches Programm vorgelegt.



In Brasilien regiert künftig eine Frau: Die Kandidatin der regierenden Arbeiterpartei setzte sich in einer Stichwahl gegen ihren Herausforderer José Serra durch.



Deutliche Kritik äußerte Kräutler an einer neoliberalen Ausrichtung der brasilianischen Politik. Tiefgreifende Sozial- und Landreformen seien verhindert, indigene Bevölkerungsschichten von Grund und Boden vertrieben worden. Zwar sind die Rechte der Indigenen nach Ansicht des 71-jährigen Geistlichen in der Verfassung beispielhaft verbürgt; jedoch seien sie in der Realität nicht umgesetzt. Dies zeige sich auch darin, dass bisher erst die Hälfte der Indianergebiete abgegrenzt worden sei. In den anderen Gebieten komme es immer wieder zu einem "blutigen Eindringen" von Großgrundbesitzern, Holzfällern und Firmen, die auf Bodenschätze aus seien, so Kräutler.



Mit Blick auf seinen Einsatz gegen das Wasserkraftprojekt Belo-Monte sagte der Bischof: "Ich bin nicht gegen Wasserkraft." Er lehne aber das konkrete Projekt entschieden ab. Rund 30.000 Menschen seien direkt durch Umsiedlung vom Kraftwerksprojekt betroffen. Entgegen der Verfassung sei die indigene Bevölkerung nicht gefragt worden, obwohl sie vom Wasser und vom Fischfang als Lebensgrundlage abgeschnitten werde. Das Projekt habe überdies unabsehbare klimatische Auswirkungen.



Seit vier Jahren unter Polizeischutz

Kräutler bestätigte, dass er seit vier Jahren unter Polizeischutz stehe. Es gebe immer wieder Drohungen aus dem Kreis von Großgrundbesitzern, Kraftwerksbetreibern oder auch von jenen, die von seinem Vorgehen gegen sexuelle Missbrauchstäter betroffen seien.



Kräutler stammt aus der Diözese Feldkirch. 1981 wurde er Bischof der Prälatur Xingu im Bundesstaat Para. Die Prälatur ist mit rund 365.000 Quadratkilometern und 500.000 Einwohnern die flächenmäßig größte Diözese Brasiliens. Kräutler soll am 6. Dezember der Alternative Nobelpreis verliehen werden.