Rotes Kreuz: Zahl der Opfer von Naturkatastrophen stark gestiegen

Weltkatastrophenbericht mit schockierenden Zahlen

Im letzten Jahr wurden 161 Millionen Menschen von Naturkatastrophen betroffen. Es entstanden Kosten in Höhe von 120 Milliarden Euro – das ist das Doppelte des jährlichen Durchschnitts während des gesamten letzten Jahrzehnts. Gleichzeitig wurden 2005 weltweit mindestens 12,8 Milliarden Euro für humanitäre Hilfsaktionen gespendet – mehr als je in einem Jahr zuvor. Doch die Hilfe bleibt ungerecht verteilt. Dies geht aus dem diesjährigen Weltkatastrophenbericht der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) hervor.

 (DR)

Der Bericht, der am Donnerstag zeitgleich in 186 Ländern erschien, wurde in Berlin von der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters und Rotkreuz-Botschafterin Maybrit Illner der Öffentlichkeit vorgestellt. Trotz der zahlreichen Spenden haben nach Aussagen in dem Bericht aber Millionen Menschen keine lebensnotwendigen und lebensrettenden Hilfen erhalten, weil ein Großteil der Spenden direkt auf Katastrophen zielte, die stark im Licht der Öffentlichkeit standen, während unzählige andere Krisen von den Medien und somit von den Spendern vernachlässigt wurden.

Rekordspenden und ungerechte Verteilung
Er zeigt, dass Regierungen im Jahre 2005 über neun Milliarden Euro für bilaterale humanitäre Hilfsleistungen zur Verfügung stellten - der höchste Betrag seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970. Zusätzlich spendeten Privatpersonen über 4,1 Milliarden Euro an Überlebende des Tsunamis im Indischen Ozean - das ist mehr, als nicht-staatliche Organisationen jemals in einem Jahr gesammelt haben. Die Gesamtsumme der Tsunamihilfe betrug über 10,5 Milliarden Euro.

Doch die Verteilung der Hilfsleistungen bleibt ungerecht. Nach dem Tsunami wurden mit mindestens 933 Euro an Hilfsleistungen pro Begünstigtem die meisten Mittel aufgebracht, die jemals nach einer Katastrophe zur Verfügung gestellt wurden - das ist 50 Mal mehr als die am schlechtesten unterstützte Krise. Notfallaufrufe für Tschad, Guyana, die Elfenbeinküste, Malawi und Niger brachten im Durchschnitt weniger als 20 Euro pro Kopf ein.

Dr. Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, sagt, dass solch riesige Ungleichheiten nicht zu akzeptieren sind. "Die großzügigen Spenden im Jahre 2005 zeigen, dass Privatpersonen und Regierungen sich verpflichtet fühlen, Menschen in Not zu helfen. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass die Hilfe dahin geht, wo sie am meisten benötigt wird und dass sie nicht verzerrt wird durch politische, sicherheits- oder medientechnische Gründe."

"Der Weltkatastrophenbericht ist eine wichtige Mahnung an uns alle. Jedes Opfer von Hunger, Armut und Naturkatastrophen braucht unsere Aufmerksamkeit und Hilfe. Wir dürfen nicht zulassen, dass es "vergessene" Konflikte gibt oder Konflikte, an die sich die Menschheit gewöhnt hat. Ganz besonders gilt das für das Elend der Menschen in Darfur", so Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Berichterstattung durch die Medien bleibt ebenso ungleich. Warum zog Hurrikan Katrina, der rund 1.300 Menschen das Leben kostete, 40 Mal mehr Medienberichterstattung auf sich, als Hurrikan Stan, der kurz darauf 1.600 Menschen in Guatemala umbrachte?

Für ein besseres Verständnis von Katastrophen
Der Weltkatastrophenbericht fragt nach, warum humanitäre Hilfsleistungen immer noch ungerecht verteilt sind. Warum erregen manche Krisen eher öffentliches Interesse, Berichterstattungen in den Medien und Spendenbereitschaft als andere?

Maybrit Illner, Botschafterin des Deutschen Roten Kreuzes, fordert ein besseres Verständnis für die Ursachen von Katastrophen. "Viele Katastrophen werfen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Schatten voraus. In Malawi zum Beispiel wurde der Notstand letztes Jahr erst acht Monate nach den ersten Anzeichen der Notlage ausgerufen. Natürlich haben die Nahrungsmittelhilfen, die es gab, geholfen. Doch sinnvoller wären Produktionshilfen für die Landwirtschaft gewesen. Darum ist auch der Dialog über Ursachen und Zusammenhänge solcher Ereignisse wichtig, in dem wir hinschauen und verstehen lernen, schnell und vor allen Dingen richtig zu helfen."

Der diesjährige Bericht nutzt Beispiele wie die unsichere Nahrungsmittelsituation in Afrika, Müttersterblichkeit in Südasien, die Tyrannei der sich wiederholenden Hurrikans in Amerika, illegale Migrationen nach Europa und Geschlechterdiskriminierung in Katastrophen weltweit, um die Probleme der Menschen, die im Schatten der "großen" Katastrophen stehen, offen zu legen.