Rostock-Lichtenhagen 20 Jahren nach den Ausschreitungen gegen Asylbewerber

"Die Menschen fühlen sich noch schuldig"

Als vom 22. bis 24. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen der Mob gegen Asylbewerber wütete, war Rainer Fabian entsetzt. Im Interview mit domradio.de blickt der Kolping-Mitarbeiter auf die drei Tage der Gewalt zurück und beschreibt einen Stadtteil, der bis heute mit den Folgen zu kämpfen hat.

 (DR)

domradio.de: Wie erinnern Sie sich an die Tage im August 1992?

Fabian: Selber war ich damals noch nicht in dem Stadtteil. Aber auf meinem Weg zur Arbeit fuhr ich täglich daran vorbei. Für mich war das wie ein Schaufenster. Ich konnte sehen, wie jeden Tag mehrere Kleinbusse die Asylbewerber vor der zentralen Aufnahmestelle abluden und wieder wegfuhren. Drei Monate lang hausten die Menschen vor dem Sonnenblumenhaus, weil die Aufnahmestelle einfach überfordert war.



domradio.de: Wie haben Sie dann die Tage der Gewalt erlebt?

Fabian: Ich war entsetzt darüber, wie so etwas passieren kann.



domradio.de: Heute arbeiten Sie nicht weit entfernt von dem damaligen Tatort. In einem Begegnungszentrum. Was hat es damit auf sich?

Fabian: Das ist ein Stadtteil- und Begegnungszentrum, ein Haus in dem soziale und kulturelle Arbeit für alle Bevölkerungsschichten geleistet wird. Wir haben verschiedene Angebote, mit denen wir auch die Menschen dazu animieren wollen, etwas für sich und für andere zu tun.



domradio.de: Bieten Sie in Erinnerung an die Übergriffe vor 20 Jahren ein spezielles Programm an?

Fabian: Viele Veranstaltungen erinnern in diesen Tagen daran. Wir selber haben schon vor zwei Jahren eine Initiative gegründet, mit der wir die Bürger auf den 20. Jahrestag vorbereiten - auch auf das öffentliche Interesse. Heute lebt ja hier noch vielleicht ein Drittel der Menschen, die schon damals hier lebten. Viele, die damals noch Kinder waren, wissen bis heute noch nicht, was geschehen ist. Und die Menschen, die es erlebt haben, sprechen nicht gerne darüber, weil sie sich auch schuldig fühlen.



domradio.de: Rostock-Lichtenhagen ist  zum Symbol für Fremdenhass in Ostdeutschland geworden. Ist dieses Bild noch zeitgemäß?

Fabian: Man darf nie vergessen, dass so etwas passieren kann. Aber die Zeit damals wurde bis heute nicht richtig aufgearbeitet. Rostock-Lichtenhagen hat sich seitdem sehr verändert. Der Stadtteil wurde vollkommen saniert, die Bürger leben besser hier und fühlen sich wohl hier.



Zur Person: Rainer Fabian leitet Begegungszentrum Lichtenhagen.



Das Gespräch führte Hilfe Regeniter.