Roland Koch würdigte erst jüngst das Verhältnis von Staat zu Kirche

"Gemeinsames Projekt"

Roland Koch war ein streitbarer Ministerpräsident, mit seiner Politik waren auch die Kirchen nicht immer einverstanden. Einig waren sich beide aber darin, Partner zu sein. So würdigte der Limburger Bischof nun Koch. Und so formulierte es der CDU-Mann Anfang des Jahres bei seiner Rede zur Feier des 50-jährigen Jubiläums des Kommissariats der Katholischen Bischöfe in Hessen. domradio.de dokumentiert hier erstmals den bislang unveröffentlichten Text.

 (DR)

Grußwort des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zu 50 Jahre Kommissariat der katholischen Bischöfe im Lande Hessen am 27. Januar 2010

Eminenz, Exzellenzen,
Herr Landtagspräsident,
Herr Präsident des Staatsgerichtshofs,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Hessische Landesregierung - und ich denke, das gilt mit Blick auf alle hessischen Landesregierungen in den letzten 50 Jahren - betrachtet es als eine der erfolgreichen und erfreulichen Entwicklungen in der Geschichte unseres erst 60 Jahre alten Bundeslandes, dass wir heute Abend in einer solch festlichen Veranstaltung das Jubiläum der gemeinsamen Arbeit zwischen der Katholischen Kirche und dem Land Hessen würdigen. Das ist keineswegs selbstverständlich. Sie, Herr Kardinal, haben bereits darauf hingewiesen: Viele in anderen Teilen Europas, oft ganz nahe in unserer Nachbarschaft, schauen voller Bewunderung und Staunen auf das, was wir in der Bundesrepublik Deutschland und auch wir hier in unserem Bundesland an Zusammenarbeit, Vertrauen und Erfolg als Bilanz dieser Arbeit aufweisen können.

Hier sind heute Abend sehr viele Personen versammelt, die in der täglichen Arbeit umsetzen, was es an gemeinsamen Angelegenheiten gibt, und zwar weit über das hinaus, was nur die Bischöfe oder die Mitglieder des Kabinetts betrifft. "Gemeinsame Angelegenheiten": Diese Bezeichnung ist bereits schon eine Beschreibung unseres deutschen Verständnisses des Zusammenwirkens von Staat und Kirche. Wir haben keine Staatskirche und - trotz der Tatsache, dass wir nach der Wahl unseres Landsmannes Joseph Ratzinger zum Oberhaupt der Katholischen Kirche alle "Papst sind" - auch keinen Kirchenstaat. Wir haben Respekt voreinander, kennen zugleich unsere Grenzen, aber wir sehen das Gemeinsame unseres Zusammenlebens und haben - um es modern zu sagen - auch ein "gemeinsames Projekt".

Die Tatsache, dass die Verantwortung vor Gott in unserem Grundgesetz steht, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis des harten Ringens von Vätern und Müttern einer Verfassung, die geschrieben worden ist in der Erinnerung an Leid und Not, an Gefängnis, an Konzentrationslager und an gescheiterte Demokratie. Sie ist geschrieben worden in der festen Überzeugung, dass die Menschen sich alleine nicht genug sein werden, um Halt zu haben und garantieren zu können, dass das, was passierte, nicht wieder passieren wird. Die Tatsache, dass die Kirchen sich in ihrem wohl verstandenen Auftrag und Interesse darauf eingelassen haben, Partner des Staates zu sein, beruht auf dem Wissen darum, dass es letztlich bei aller gebotenen Unabhängigkeit und aller notwendigen Distanz nach den Lehren der schrecklichsten Periode in Deutschland doch eine Verpflichtung gibt, die man nur gemeinsam erfüllen kann. Diese Erkenntnis in eine Verfassung zu schreiben und sie zu leben, ist das Eine; diese Einsicht im Bereich der täglichen Arbeit umzusetzen, ist etwas Anderes. Heute Abend sind dazu Menschen aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen zusammen gekommen. In ihrem Handeln wird die Arbeit konkret, wenn etwa über einzelne Paragraphen eines Erlasses des Kultusministeriums beraten wird. Das Kultusministerium ist ja wegen der engen Zusammenarbeit zu vielen Stellen so etwas wie das "Kirchenministerium" des Landes Hessen. Deshalb ist heute auch Frau Ministerin Henzler gerne gekommen.

Es ist ein guter Brauch bei uns, dass es regelmäßige Gespräche zwischen den Kirchen und den Ministerien gibt. Das geschieht nicht nur dann, wenn irgendwo ein Problem auftaucht, sondern in mittlerweile jahrzehntelanger Tradition regelmäßig sogar auf die "Gefahr" hin, dass man auch einmal miteinander spricht, ohne ein "Problem" zu haben. Diese Normalität der Kommunikation mit den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kultusministeriums, der Staatskanzlei, des Finanzministeriums, des Arbeitsministeriums oder des Umweltministeriums, um nur einige Beispiele zu nennen, bringt uns weiter. Es gibt regelmäßige Gespräche mit allen, die in den unterschiedlichen Aufgabenstellungen zusammenarbeiten in der Behandlung der vielen Fragen unseres Gemeinwesens. Dabei ist es natürlich eine Herausforderung, stets zu erkennen, was des einen und was des andern ist. Auch politische Repräsentanten, sogar Regierungen und Parlamente, verfallen gelegentlich in die merkwürdige Hoffnung, eine Lehre des Heils verkünden zu können. Und die Kirchen ihrerseits haben in ihrer Geschichte auch manche Phase erlebt und manche Diskussion geführt, in denen sie vielleicht zu weltlich geworden sind. Die Frage des gegenseitigen Abwägens und des Abtastens gehört auch zu unseren gemeinsamen Erfahrungen.

Auch mit Blick auf diese Frage sind die Beziehungen mit den Vertretungen der beiden christlichen Religionsgemeinschaften am Sitz der Landesregierung sehr belastbar. Es sind kooperative Arbeitsbeziehungen geschaffen worden, auf deren Basis wir in einer Gemeinsamkeit arbeiten, die so in anderen Bundesländern nicht selbstverständlich ist. Es wäre eine falsche Annahme, das für bloße Arbeitsökonomie zu halten, zumal ich weiß, dass die Terminkoordinierung manchmal auch eine sehr herausfordernde Aufgabe sein kann, bis wir uns dann gemeinsam treffen können. Nein, es ist auch eine politische Botschaft, das gemeinsam und ökumenisch zu tun. Wir unterstützen nicht eine bestimmte religiöse Ausdrucksform allein. Das ist auch nicht Aufgabe des Staates. Wir gehen schlicht von der Tatsache aus, dass Religion ihren Platz in der Gesellschaft hat. Von daher ist es wichtig und gut, dass die beiden christlichen Konfessionen gemeinsam mit uns das Gespräch suchen und eine gemeinsame Sprache sprechen. Das stärkt sie auch in ihrer quantitativen Bedeutung bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung etwa für das, was in unseren Schulen mit dem Religionsunterricht geschieht. Die staatliche Zusammenarbeit auch in diesem Punkt ist ein Bekenntnis des Staates zu einer kooperativen Gemeinschaftlichkeit. Dass diese gemeinsame Gestaltung gelingt, das ist für uns als Land ein großer Vorteil. Und ich glaube, es ist auch aus Sicht der beiden Kirchen sinnvoll, weil es ihnen ermöglicht, Kräfte zu bündeln, während andere im bedingungslosen und ausnahmslosen Wettbewerb miteinander stehen. Diese kooperative Gemeinschaftlichkeit hilft uns auch, eine gemeinsame Antwort auf akute Fragen zu geben. Und ganz nebenbei erspart uns dieses Vorgehen, die sonst vielleicht unterschiedlich ausfallenden Antworten wechselseitig zu erklären.

Auf dieser Basis haben wir in all den Jahren - auch im letzten Jahrzehnt, das ich nun überblicken kann - unsere Beziehung stark weiterentwickelt. Das gilt etwa für die Zusammenarbeit an den Universitäten, die nicht immer einfach ist, wenn die Zahl der Studierenden kleiner wird. Hier haben wir als Landesregierung dennoch eine Garantie gegeben, dass die Religionslehrerausbildung an den Hochschulen unabhängig von der Zahl derer, die sie in Anspruch nehmen, ein institutioneller Teil unseres Verständnisses der Hochschulpolitik ist. Hintergründe dieser Art sind nicht so oft in den Vereinbarungen nachzulesen, die wir treffen. Dazu gehört auch die Verabredung bezüglich der Kirchenbaulastenfrage. Diese Vereinbarung, die unter sehr maßgeblicher Beteiligung meines Kollegen, Minister Karlheinz Weimar, zustande kam, gehört sozusagen zu den festen Tagesordnungspunkten der jährlichen Spitzengespräche. Es ist besonders eindrucksvoll, dass wir hier in einer langfristigen und verlässlichen Vereinbarung zu einem Konsens gefunden haben, mit dem noch nach einigen Jahren alle zufrieden sind. Das ist für einen Politiker ein fast nicht vorstellbares Erlebnis. Deshalb ist an dieser Stelle zu sagen: Ja, wir haben eine Übereinstimmung in Prinzipien und Grundsätzen der Organisation und Ordnung unseres Staates. Wir haben uns das nicht nur theoretisch ausgedacht, sondern wir leben es alle miteinander. Das soll vor Ihnen auch hervorgehoben werden in einer Zeit, in der Menschen oft glauben, dass es solche Beziehungen gar nicht gäbe.

Deshalb will ich für die Hessische Landesregierung und für meine Kolleginnen und Kollegen des Kabinetts Ihnen unseren herzlichen Dank aussprechen. Ich denke, es ist auch angemessen, hier Herrn Dr. Guido Amend in einer besonderen Weise hervorzuheben, der gemeinsam mit Herrn Generalvikar Kaspar heute Abend sozusagen fast das ganze Geschichtsbild des Kommissariats darstellt: Sie haben in meinem nun schon über 20-jährigen Wirken als Abgeordneter und als Ministerpräsident das Bild des Kommissariats geprägt. Herr Dr. Amend hat  insbesondere mit Blick auf die Regierungszeit, für die ich Verantwortung trage, in seiner Leitung des Kommissariats die erwähnten Aufgabenstellungen in einer vorbildlichen Weise bewältigt und im Interesse der Bischöfe und im Interesse der beschriebenen Gemeinschaft erledigt.

Es ist nicht lange her, dass wir das 60-jährige Bestehen des Landes Hessen gefeiert haben. 50 Jahre gibt es nun diese institutionelle Zusammenarbeit mit dem Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen, und ich bin sicher, dass wir eine Grundlage geschaffen haben, die so gut ist, dass keiner riskieren will, sie zu gefährden. Das ist das wertvollste Kapital, das wir in die Jahrzehnte, die vor uns liegen, mitnehmen sollten. So verstanden, kann man sogar, ohne dass es politisch streitig sein dürfte, konservativ sein. Ich sage an dieser Stelle: Ja, es lohnt sich, das zu feiern und es lohnt sich, das zu bewahren. Herzlichen Dank dafür.


(dr) Mit freudlicher Genehmigung des Bistums Limburg und der Staatskanzlei in Hessen.