Rheinische Kirche rüstet sich für radikale Veränderungen

"Tiefgreifender Transformationsprozess"

Der Schrumpfungsprozess der Kirchen geht weiter. Die evangelische Kirche im Rheinland fordert von ihren Gemeinden viel Flexibilität. Auch das Missbrauchs-Thema wird bei der Landessynode besprochen, die am 2. Februar beginnt.

Symbolbild Eine evangelische Pfarrerin segnet Kinder / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Eine evangelische Pfarrerin segnet Kinder / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Evangelische Kirche im Rheinland bereitet sich angesichts sinkender Mitgliederzahlen auf weitere einschneidende Veränderungen vor. Bei der Synode der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland sollen Vorschläge zur Zukunft der Kirche einen Schwerpunkt bilden. Die mehr als 190 Mitglieder des Kirchenparlaments tagen vom 2. bis 7. Februar in Bonn.

"Kein rückwärtsgewandter (...) Traditionsverein"

Christoph Pistorius / © Norbert Neetz (epd)
Christoph Pistorius / © Norbert Neetz ( epd )

Im Eröffnungsgottesdienst in der Bonner Kreuzkirche rief Vizepräses Christoph Pistorius dazu auf, Neues zu wagen und sich weder von "Irrwegen und Sackgassen, anstrengenden Prozessen und schwindenden Ressourcen" noch von Anfragen an die Relevanz der Kirche für die Gesellschaft entmutigen zu lassen. 

Es gehe um eine Kirche, "die nicht um sich selbst kreist, sondern sich senden lässt, heraus aus vertrauten und angestammten Räumen zu den Menschen", sagte der 63-jährige Theologe, der im März in den Ruhestand tritt, laut Redetext.  Kirche sei "kein rückwärtsgewandter Geschichts- oder Traditionsverein, sondern Gottesbewegung aus der ungeheuerlichen Dynamik des Osterwunders heraus", betonte Pistorius. 

Ihre Stärke liege nicht in Uniformität, Ansehen in der Gesellschaft oder Kirchensteueraufkommen, sondern "in der Beziehung zu Gott, der beruft, beauftragt und sendet". Die entscheidende Ressource für Aufbruch und Bewegung sei Gott selbst, daher müsse die Kirche "demütig, hörend und betend auf das Wirken der Geistkraft Gottes" setzen. 

Eine solche Kirche trete für hungernde, kranke und einsame Menschen ein und übernehme Aufgaben in der Gesellschaft, erklärte der scheidende Personalchef der rheinischen Kirche. 

Latzel kündigt "tiefgreifenden Transformationsprozess" an 

 Der rheinische Präses Thorsten Latzel hatte von einem "tiefgreifenden Transformationsprozess" der Kirche gesprochen. 

So gibt es Latzel zufolge etwa Überlegungen, in großen Städten wie Düsseldorf oder Essen aus den noch zahlreichen Ortsgemeinden eine einzige Gemeinde zu machen. Die Gemeindeformen sollen nach Worten Latzels flexibler werden, um dichter bei den Menschen zu sein. 

Dazu wird eine Vorlage bei der Synode erwartet. Schon bei der Synode im vergangenen Jahr waren Reformen beschlossen worden. So wurden die Regeln für Gottesdienste, Taufen, Trauungen und das Abendmahl gelockert.

Finanzlage wird angespannter

Zwar verzeichnete die rheinische Kirche für 2024 wieder ein Plus bei den Kirchensteuereinnahmen um insgesamt fünf Prozent, und der Jahresabschluss war noch ausgeglichen. Für 2025 und 2026 geht die Landeskirche noch von einem gleichbleibenden Kirchensteueraufkommen aus. 

Thorsten Latzel, Präses der rheinischen Landeskirche / © Hans-Jürgen Bauer (epd)
Thorsten Latzel, Präses der rheinischen Landeskirche / © Hans-Jürgen Bauer ( epd )

Jedoch muss nach Angaben von Finanzchef Henning Boecker wegen steigender Personalkosten auf die freien Rücklagen in Höhe von der derzeit etwa 110 Millionen Euro zurückgegriffen werden. Dieses Jahr sollen voraussichtlich acht Millionen Euro und 2026 dann 18 Millionen Euro entnommen werden. 

Missbrauch wird aufgearbeitet

Auch das Thema Missbrauch wird die Synode begleiten. Ein Jahr nach Veröffentlichung der bundesweiten Forum-Studie hat sich die Zahl der gemeldeten Missbrauchsfälle im Bereich der rheinischen Kirche erhöht. Bis Ende 2024 gingen 124 Meldungen aus allen Ebenen ein. In der Studie waren erst 70 Verdachtsfälle im Bereich der rheinischen Kircheseit 1946 dokumentiert.

Die 124 Verdachtsmeldungen beziehen sich 110 Beschuldigte. In 33 Fällen handelt es sich um Theologen - fast alle Pfarrer. Bei anderen Meldungen geht es um Mitarbeiter der Kirche oder Ehrenamtliche. Im März soll eine unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission für die rheinische, westfälische und die lippische Kirche sowie diegemeinsame Diakonie ihre Arbeit aufnehmen.

Menschenrechte - und nicht Remigration

Auf Vorschlag der evangelischen Jugend wird die Synode auch über Rassismus diskutieren. Präses Latzel hatte die Forderung der AfD nach "Remigration", also Rückführungen im großen Stil, verurteilt. Das ganze Gerede von Remigration sei nichts anderes als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. 

Ein Delegierter der AfD wartet auf den Beginn der Europawahlversammlung. / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Ein Delegierter der AfD wartet auf den Beginn der Europawahlversammlung. / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )

Es gebe keine Deutschen erster und zweiter Klasse. Es gebe aber Menschenrechte. "Wir erleben, dass die Demokratie unter Druck ist und ein völkisch-nationaler Rechtspopulismus erstarkt", hatte Latzel gewarnt.

Die Landessynode ist das oberste Leitungsgremium der rheinischen Kirche, die mit rund 2,1 Millionen Mitgliedern die zweitgrößtenLandeskirche in Deutschland ist. Die rheinische evangelische Kirche umfasst 37 Kirchenkreise in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland.

Der Artikel wurde am 02.02.2025 um 15:47 aktualisiert.

Evangelische Kirche im Rheinland

Die Evangelische Kirche im Rheinland ist mit rund 2,34 Millionen Protestanten die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Niederrhein und Saar über das Gebiet der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Rheinland. Die 643 Gemeinden, die in 37 Kirchenkreisen zusammengeschlossen sind, liegen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Präses und damit oberster Repräsentant ist seit März 2021 der 51-jährige Theologe Thorsten Latzel. 

Symbolbild: Ein Holzkreuz / © enterlinedesign (shutterstock)
Symbolbild: Ein Holzkreuz / © enterlinedesign ( shutterstock )
Quelle:
dpa , epd