"Max war ein besonders schwerer Fall", berichtet Eilhardt. Sechs Jahre lang war der Jugendliche in der rechten Szene aktiv gewesen, war sogar vom Staatsschutz verfolgt worden. "Das gab ihm einen zusätzlichen Kick, er fühlte sich noch stärker mit seinen 'Kameraden' verbunden. Man sprach in der Szene von seinen 'Heldentaten'", erinnert sich Eilhardt an die Erzählungen des jungen Mannes.
Und doch: Irgendwann stand der 20-Jährige vor der Tür der Wittener Ausstiegsberaterin - auch wenn sein erster Besuch nicht ganz freiwillig war. "Ein Mädchen, dem ich früher beim Ausstieg aus den satanistischen Kreisen geholfen hatte, stellte fest, dass Max offenbar ein Problem hatte, und brachte ihn zu mir", berichtet Eilhardt. So laufe es in den meisten Fällen. Oft vermittelten Freunde, Eltern oder Schulen den Kontakt zu ihr, sagt die Ausstiegsberaterin.
Nach Beobachtung des Innenministeriums sind Jugendliche die wichtigste Zielgruppe der Rechtsextremisten. Dabei versuchten die Rechten mit Hilfe von Websites, Musik, Kleidung und Konzerten in den Alltag der Jugendlichen vorzudringen. Auf den ersten Blick ließen sich viele der Rechtsextremen nicht mehr erkennen. So unterschieden sich die sogenannten Autonomen Nationalisten - eine Gruppe unorganisierter, gewaltbereiter Rechter - durch ihre einheitliche schwarze Kleidung mit Kapuzenpullovern kaum von militanten Linksextremisten. Bis zu 60 Personen gehören dieser Gruppierung allein in NRW an, Tendenz steigend.
Nicht nur für Satanisten, sondern auch für Rechtsextremisten.
Wer aus der Szene aussteigen möchte, findet seit 2002 bei Eilhardt Unterstützung. Zur Ausstiegsberaterin wurde sie aus privaten Gründen. "Meine Kinder fingen vor 15 Jahren an, sich fürs Pendeln und Gläserrücken zu interessieren." Damals begann sie, alles zu lesen, was sie über Okkultismus und Satanismus finden konnte. Sie besuchte in ihrer Freizeit Seminare und suchte das Gespräch mit Experten. 2002 schließlich begann sie ihre Arbeit als Ausstiegsberaterin bei der Stadt Witten - nicht nur für Satanisten, sondern auch für Rechtsextremisten.
Aus beiden Gruppierungen sei der Ausstieg extrem schwer, sagt Eilhardt. Zwar übten sie nur selten Psychoterror etwa in Form ständiger Telefonanrufe aus. "Aber der psychische Druck, den sich die Ausstiegswilligen selbst bereiten, ist enorm. Sie wissen genau, dass sie von ihren ehemaligen Mitstreitern als Verräter abgestempelt werden. Das macht ihnen zu schaffen", sagt Eilhardt.
"Manche bleiben dabei"
Eine weitere Schwierigkeit sei die starke Gruppenbindung bei den Rechtsradikalen. Was anfangs positiv als Geborgenheit und Stärkung gesehen werde, werde bei einem Ausstieg zum Problem. "Die Jugendlichen haben große Teile ihrer Freizeit mit dieser Gruppe verbracht und müssen sich nun neue Kontakte und Freizeitbeschäftigungen suchen." Soweit sie kann, versucht Eilhardt, die Jugendlichen dabei zu unterstützen. "Wenn sie wollen, besuche ich mit ihnen Fußballspiele oder nehme sie mit in Sportvereine. Manche bleiben dabei", sagt die Ausstiegsberaterin.
Im vergangenen Jahr half sie fünf Mädchen und drei Jungen bei ihrem Ausstieg aus der rechtsextremen Szene. "Man sieht daran, dass Rechtsradikalismus längst kein Problem mehr ist, dass vor allem junge Männer betrifft", sagt die Ausstiegsberaterin. Allerdings seien viele Mädchen nicht wegen der Ideologie in die rechten Kreise gerutscht. "Manche verlieben sich einfach in einen Typen aus der rechten Szene und begleiten ihn dann auch zu Treffen mit seinen 'Kameraden'."
Reportage: Raus aus der rechten Szene
"Max" steht für Neuanfang
"Max" steht für Neuanfang. Mit diesem Pseudonym kam der damals 20-Jährige zu Silvia Eilhardt und gestand ihr seine Alkoholprobleme - und, dass er in die rechte Szene gerutscht sei. Für Eilhardt gehören derlei Geständnisse zum Arbeitsalltag. Die Gründerin des Wittener Sekten-Info ist mittlerweile als Ausstiegsberaterin bei der Stadt Witten beschäftigt.
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