Über die Wurzeln des Rechtsextremismus - eine Psychoanalytikerin im domradio-Gespräch

16, männlich, rechtsradikal

Rechtsradikale weltweit leugnen millionenfachen Mord an Juden, den Holocaust. Darunter auch zahlreiche Jugendliche. Gertrud Hardtmann ist Psychoanalytikerin. Sie hat rechtsradikale Teenager begleitet und ihre Erfahrungen in einem Buch veröffentlicht. Was glauben sie? Wie ist ihr Blick auf die Welt? Fragen, die die Psychoanalytikerin im domradio-Interview beantwortet.

 (DR)

Radikal und aggressiv - das sind die ersten Worte, die Gertrud Hardtmann dazu einfallen. "Es ist ein Blick in die Vergangenheit, die auch wieder Gegenwart werden könnte", so die Psychoanalytikerin. "Weil diese Jugendlichen in der Gegenwart mit sich un der Welt nicht zurecht kommen."

Aber: Ist der typische, rechtsradikale Jugendliche zwangsläufig 16 Jahre alt und männlich? "Zwangsläufig vielleicht nicht - aber überwiegend", sagt Hardtmann. "Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass gerade männliche Jugendliche aus der unteren Schicht keinen verlässlichen Ansprechpartner haben, der sie auf dem Weg zum Erwachsenen begleitet". so Hardtmann. "Deshalb leben sie in einer Phantasiewelt und suchen dort ihre Vorbilder."

Bereits als Kinder hätten sie ein Weltbild, dass von Angst und "einem Gefühl der Unterlegenheit" geprägt sei. "Gesellschaftlich müsste da viel früher angesetzt werden", findet Hardtmann. "Wenn man sich mit diesen Weltbildern und deren Ursachen befasst, dann gewinnt man auch die Herzen dieser Jugendlichen."

"Sie sind leistungsbereit, aber sie müssen auch gefordert werden"
Hardtmann selbst habe in ihrem Beruf als Psychoanalytikerin oft den Eindruck gehabt, dass man sich viel zu spät um rechtsradikal orientierte und gewaltbereite Jugendliche kümmere. "Nämlich dann, wenn ein Strafverfahren bereits ansteht, weil sie gewalttätig geworden waren", so Hardtmann.

Professor Gertrud Hardtmann hat bereits zahlreiche Gespräche mit rechtsradikalen jungen Menschen geführt und dabei vor allem Eines beobachtet: "Auf den ersten Blick sind Sie wenig gesprächsbereit, auch untereinander. Sie hatten keine Gesprächskultur - die musste erst allmählich aufgebaut werden."

Dennoch sei unter den Jugendlichen positives Potenzial zu beobachten, betont Hardtmann. Sie seien durchaus in der Lage mit ihren Kräften, "etwas Positives und Anspruchsvolles" zu leisten. "Sie sind leistungsbereit, aber sie müssen auch gefordert werden."

"16, männlich, rechtsradikal" soll die gesellschaftlichen und psychologischen Wurzeln des Rechtsextremismus beleuchten. Das Buch von Gertrud Hardtmann ist im Patmos-Verlag erschienen und kostet 18 EUR.