Religionsexperte über die US-Wahlen

Nicht übermütig werden

Der Demokrat Barack Obama hat die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen und eine deutliche Mehrheit der Wahlmänner auf sich vereinigt. Das deutliche Ergebnis berge viel Konfliktpotential für das Verhältnis von Kirche und Politik, warnt aber nun ein Experte für Religionen in den USA.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Michael Hochgeschwender vom Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München sprach nach der Wahl mit der Katholischen Nachrichten-Agentur unter anderem über das Wahlverhalten der Katholiken.

KNA: Herr Hochgeschwender, die Umfragwerte deuteten im Vorfeld auf einen klaren Sieg Obamas hin. Trotzdem blieben viele skeptisch, ob Amerika einen schwarzen Präsidenten wählen würde. Kam das deutliche Ergebnis für Sie überraschend?
Hochgeschwender: Es ist ja sozusagen der umgekehrte "Bradley-Effekt" eingetreten. Es hat mich schon überrascht, dass Obama sehr schnell so viele vor allem "weiße" Staaten wie Maine und Wisconsin für sich eingenommen hat. Außerdem konnte er die Schwarzen mobilisieren. Man soll ja mit dem Begriff "historisch" vorsichtig umgehen, aber ich würde schon behaupten, dass die Wahl eine historische Dimension hat.

KNA: Woran liegt es, dass Obama so deutlich gesiegt hat?
Hochgeschwender: Die USA haben sich verändert. Auf verschiedenen Ebenen wurden gute Erfahrungen mit schwarzen Politikern gemacht.
Auch die Populärkultur hat ihren Teil dazu beigetragen. Im Kino wurde beispielsweise ein schwarzer Präsident gezeigt. Das trägt zusätzlich zum Gewöhnungseffekt bei.

KNA: Die Erwartungen an Obama sind groß. Auch die katholische Kirche hat ihre Ansprüche an den neuen Präsidenten. Welchen Aufgaben wird er sich stellen müssen?
Hochgeschwender: Viele brisante Themen wie die gleichgeschlechtliche Ehe oder Sterbehilfe werden ja in den Einzelstaaten entschieden. So wurde am Dienstag im Schatten der Präsidentschaftswahl in einigen Staaten über Abtreibung und gleichgeschlechtliche Partnerschaft abgestimmt. Trotzdem: Die Demokraten haben durch die Wahl zwar ein deutliches Signal bekommen, aber vor allem die liberalen Demokraten dürfen jetzt nicht übermütig werden.

KNA: Warum?
Hochgeschwender: Die USA sind nach wie vor in ihrer Struktur ein sehr konservatives Land. Politiker wie der künftige Vize-Präsident Joseph Biden, die sich beim Thema Abtreibung für eine Wahlfreiheit einsetzen, stehen unter dauerndem Rechtfertigungszwang. Andererseits werden es Katholiken unter einem Präsidenten Obama schwer haben, weil er in vielen ethischen Fragen eher liberal eingestellt ist.

KNA: In welchen Fragen könnte sich das auf Bundesebene auswirken?
Hochgeschwender: Ein Bespiel sind die katholischen Privatschulen.
Konservative forderten immer wieder eine Art Gutschein, den es auch in manchen Einzelstaaten gibt. Das kommt einer indirekten Förderung gleich, die mit der liberalen Position einer strengen Trennung von Kirche und Staat kollidiert. Ein zweites Beispiel betrifft die Ehe:
Viele Konservative wollten einen Zusatzartikel in der Verfassung durchsetzen, der die Ehe zwischen Mann und Frau unter einen besonderen Schutz stellen würde. Zwar sind die Liberalen nicht geschlossen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, aber man kann schon sagen: Je linker, umso eher dafür. Obwohl die definitive Entscheidung in den Einzelstaaten fällt, könnte das auf Bundesebene noch für Zündstoff sorgen.

KNA: Wo sehen Sie weitere mögliche Konflikte mit der christlichen Rechten?
Hochgeschwender: Obama sollte sich gut überlegen, welche Richter er an den Supreme Court beruft. Die Auswahl ist sehr groß. Wenn er sich extrem Liberale aussuchen sollte, wird er Probleme mit der Kirche bekommen. Sucht er die Leute aber geschickt aus, werden die Bischöfe keinen Protest anmelden. In dem Fall gibt es auf beiden Seiten mehr Chancen, etwas zu verändern.

KNA: Gibt es schon Informationen über das Wahlverhalten der US-Katholiken?
Hochgeschwender: Die katholischen Latinos haben überraschenderweise sehr eindeutig Obama gewählt. Dabei waren sie bisher zumeist auf die Republikaner abonniert. Wenn man sich die Karte anschaut, dann hat Obama bei den weißen Katholiken generell die Mehrheit der Stimmen bekommen.