Von Mittwoch bis Sonntag haben Schätzungen zufolge etwa 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der niedersächsischen Landeshauptstadt zusammen gefeiert, gebetet und diskutiert – und ich war einer davon. Denn für DOMRADIO.DE habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Lara Burghardt vom Kirchentag berichtet. Mein Fazit: Das Treffen in Hannover hat gezeigt, wie politisch und gesellschaftlich relevant die Kirchen sein können.

Zum einen hat sich das in der großen Zahl von Spitzenpolitikern niedergeschlagen, die zum Kirchentag gekommen sind: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte wahrscheinlich seinen letzten größeren Termin als Regierungschef. Aber auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Linken-Politiker Bodo Ramelow, Grünen-Chefin Franziska Brantner oder Armin Laschet (CDU) haben sich beim Kirchentag die Klinke in die Hand gegeben – um nur einige bekannte Namen zu nennen. Auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel gab sich die Ehre und wurde von den Besuchern umjubelt. Der wahrscheinlich nächste Kanzler Friedrich Merz von der CDU war hingegen nicht nach Hannover gereist – was man auch als Ausdruck einer zunehmenden Entfremdung zwischen den Kirchen und den Unionsparteien werten kann.
Kirchen und Tagespolitik
Zum anderen hat sich die politische Bedeutung des Kirchentags in der Debatte darum gezeigt, ob und wie sehr sich die Kirchen zur Tagespolitik äußern sollen. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte diese eigentlich nicht neue Diskussion mit einem Interview bei DOMRADIO.DE vor einem Monat erneut auf den Plan gerufen. In Hannover war dieses Thema bei vielen Veranstaltungen präsent. Die meisten politischen und gesellschaftlichen Akteure, die sich zu Wort meldeten, betonten jedoch, dass sie sich eine starke Stimme der Kirchen wünschen.

Am Samstag war Klöckner selbst auf dem Kirchentag und erneuerte ihre Kritik: Die Kirchen würden sich zu oft und kleinteilig zur Politik äußern, es aber gleichzeitig nicht schaffen, den christlichen Glauben, also ihren Markenkern, zu vermitteln. Die Debatte geht also weiter – vorangetrieben durch den Kirchentag, der immer auch ein Ort der Diskussion ist.
Besuch von Mariann Edgar Budde
Den kirchlichen Markenkern und die politische Bedeutung des Evangeliums hat Mariann Edgar Budde in beispielhafter Weise miteinander verbunden, indem sie im Januar Donald Trump die Leviten gelesen hat: In ihrer Predigt rief die Bischöfin der US-Episkopalkirche den neu vereidigten Präsidenten dazu auf, seine migrationsfeindliche Politik zu überdenken und besonders zu den Schwachen in der Gesellschaft barmherzig zu sein. Das gefiel Trump gar nicht und er kritisierte Budde scharf – die Bischöfin jedoch wurde durch ihre prophetische und gleichsam einfühlsame Predigt weltberühmt.

Beim Kirchentag wollten Hunderte Menschen mit ihr sprechen, sich von ihr segnen lassen oder einfach ein Selfie mit ihr ergattern. Für mich war Budde der Star-Gast in Hannover, der in der Debatte um politische Äußerungen der Kirchen zeigt, wie man die christliche Botschaft in die Gesellschaft bringt.
Abseits vom Rampenlicht
Doch es waren nicht nur die großen Namen und vollen Veranstaltungsorte, die den Kirchentag in Hannover geprägt haben. Bei solchen Treffen sind es vor allem auch die persönlichen Begegnungen und kleinen Dinge, die in Erinnerung bleiben. Ich persönlich denke dabei etwa an die vielen Gespräche mit den Mitwirkenden auf dem Markt der Möglichkeiten oder die Bahnfahrt nach der Nacht der Lichter, dem Abendgebet am Samstag im Stil der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Dabei haben die Kirchentagsbesucher immer wieder die eingängigen Lieder angestimmt. Eine U-Bahn gefüllt mit Menschen, Taizé-Gesängen und guter Stimmung – wenn auch etwas gewöhnungsbedürftig für einige Hannoveraner.

Auf der Suche nach den katholischen Spuren beim Kirchentag habe ich festgestellt, dass das Treffen keine rein evangelische Veranstaltung war: Zahlreiche Katholikinnen und Katholiken haben das Programm mitgestaltet oder waren als Teilnehmende dabei. Natürlich ist eine große Mehrheit der Kirchentagsbesucher immer noch protestantisch und ur-evangelische Dinge wie Posaunenchöre oder Lutherrosen waren in Hannover allgegenwärtig. Aber ich habe doch gemerkt, wie die konfessionellen Grenzen immer mehr an Bedeutung verlieren.
Ich glaube deshalb, dass es den Kirchen in Deutschland sehr guttun würde, wenn Katholiken- und Kirchentage in den kommenden Jahrzehnten zusammengelegt werden. Eine Option für die sich auf der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer im Interview offen gezeigt hat. Drei ökumenische Kirchentage gab es in den vergangenen Jahrzehnten bereits, ihre dauerhafte Einrichtung könnte dem Zusammenwachsen der Konfessionen neuen Schwung verleihen – was auch bitter nötig wäre. Doch zunächst geht es konfessionell getrennt weiter: Im kommenden Jahr mit dem Katholikentag in Würzburg und 2027 mit dem evangelischen Kirchentag in Düsseldorf. Ich freue mich auf beide Veranstaltungen.