Der Rechtsruck in Lateinamerika setzt sich fort: In Chile gewann der rechtskonservative Jose Antonio Kast (59) mit 58,2 Prozent der Stimmen die Stichwahl gegen die Vertreterin des linken Regierungslagers, Jeannette Jara (51), die 41,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.
Jara zeigte sich als faire und verantwortungsvolle Verliererin, gratulierte Kast persönlich und wünschte ihm eine erfolgreiche Präsidentschaft. Der scheidende linksgerichtete Präsident Gabriel Boric, der aufgrund einer Amtszeitbegrenzung nicht erneut antreten durfte, sagte eine reibungslose Übergabe der Amtsgeschäfte zu.
Aufruf zu respektvollem Umgang
Als Kast, Sohn eines nach Chile ausgewanderten deutschen Wehrmachtsoffiziers, während seiner Siegesrede auf Jara zu sprechen kam, forderte er seine Anhänger auf, Buhrufe und Pfiffe zu unterlassen. Nur ein respektvoller Umgang mit jenen, die politisch eine andere Meinung vertreten, garantiere eine funktionierende Gesellschaft. "Mit Jeannette Jara haben wir Differenzen", sagte Kast: "Wir können heftige Differenzen haben, aber wenn Gewalt vorherrscht, ist es sehr schwer, voranzukommen."
Das gewonnene Mandat lasse keine Verzögerungen zu und Chile werde einen echten Wandel erleben, fügte Kast hinzu: "Ich muss vom ersten Tag an ganz ehrlich sein: Es gibt hier keine Zauberformel. Nicht alles ändert sich von heute auf morgen, aber die Dinge können sich verbessern. Wir werden ein sehr schwieriges Jahr haben, weil die Finanzen des Landes nicht in Ordnung sind. Die Wiederbelebung des Landes erfordert die Anstrengungen aller."
Bischöfe fordern Respekt und Dialog
Die katholische Bischofskonferenz der Anden-Nation lobte in einer ersten Reaktion den respektvollen Umgang der Beteiligten miteinander. Die Glückwünsche und die Gespräche untereinander seien "ein Spiegelbild der Stabilität der Demokratie in Chile, des Respekts vor dem chilenischen Volk und seinen Institutionen", so die Bischöfe. Das mache Hoffnung, weil der gesunde Menschenverstand über die Spaltung gesiegt habe.
An Kast gerichtet riefen die Bischöfe dazu auf, ein "Klima des Dialogs, der Begegnung und des Respekts zu fördern, das für die Wiederherstellung des sozialen Vertrauens unerlässlich ist."
Die Präsidentin des Handelsverbandes CPC, Susana Jimenez, sagte der Zeitung La Tercera: "Die Mehrheit der Chilenen unterstützt Kasts Einschätzung der dringenden Bedürfnisse in den Bereichen Sicherheit, Beschäftigung und Investitionen."
Kritik an Kasts Haltung zu Migration
Kast hatte einen klassischen Law-and-Order-Wahlkampf geführt. Er wolle die Alltagskriminalität in den Griff bekommen und die illegale Migration beenden, hatte er immer wieder betont. Migranten, die sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in Chile aufhielten oder sich nicht an die Gesetze hielten, müssten das Land verlassen.
Auch dieses Thema griffen die Bischöfe auf und gingen hier auf Distanz zu Kast: "Wir sind besorgt über die zunehmende Verunglimpfung von Migranten und schutzbedürftigen Menschen und bekräftigen unser Engagement für das Leben, die Menschenwürde und den Schutz der Schwächsten."
Rechtsruck in Lateinamerika
Mit dem Erfolg von Kast rückt ein weiteres lateinamerikanisches Land nach rechts: Erst vor wenigen Wochen hatte der Christdemokrat Rodrigo Paz nach fast zwei Jahrzehnten sozialistischer Regierung in Bolivien gewonnen. In Honduras ist die Kandidatin des linksgerichteten Regierungslagers Rixi Moncada abgestraft worden, und in Argentinien bestätigten die Wähler bei den nationalen Parlamentswahlen den wirtschaftsliberalen Reformkurs des libertären Präsidenten Javier Milei. In Südamerika wird nun das sogenannte "Lithium-Dreieck" bestehend aus Argentinien, Bolivien und Chile erstmals seit 20 Jahren wieder ausnahmslos von wirtschaftsliberalen Regierungen regiert.
Die ersten Gratulationen kamen aus Argentinien und aus den USA: Argentiniens Präsident Javier Milei sieht Chile als einen "neuen Leuchtturm der Freiheit". US-Vizeaußenminister Christopher Landau, der früher Botschafter in Chile war, schrieb: "Der heutige Tag ist ein weiterer Beweis für die Vitalität der chilenischen Demokratie."
Harte Kritik gab es dagegen von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro: "Der Faschismus schreitet voran, ich werde niemals einem Nazi die Hand reichen, und einem Sohn eines Nazis auch nicht; sie sind der Tod in Menschengestalt."