Trotz Depression gut durch die Corona-Krise

Raus aus'm Bett und ran ans Telefon

Für Menschen mit psychischen und seelischen Erkrankungen ist die Corona-Krise eine besondere Herausforderungen. Doch es gibt Hilfen und praktische Tipps - die auch anderen helfen, jetzt keinen Lagerkoller zu bekommen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Symbolbild Telefonieren / © Africa Studio (shutterstock)
Symbolbild Telefonieren / © Africa Studio ( shutterstock )

Die Corona-Krise ist ein Stresstest für alle. Strenge Ausgangsbeschränkungen, häusliche Isolation und Nachrichten über rasant steigende Infektionszahlen können psychisch sehr belastend sein und lösen bei vielen Menschen Ängste aus. Besonders herausfordernd ist diese Situation für Menschen, die zu Depressionen neigen.

"In einer Depression wird alles Negative im Leben vergrößert wahrgenommen und ins Zentrum gerückt, so auch die Sorgen und Ängste der so auch die Sorgen und Ängste wegen des Corona-Virus", erklärt Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, in Leipzig. "Betroffene können jedoch gegensteuern."

Nicht zu lange im Bett bleiben

Die Stiftung hat konkrete Tipps: Auf der to-do-list stehen Ablenkung, Bewegung und das Gespräch mit Freunden sowie der Familie. Dank Telefon, Skype und Messengerdiensten geht das auch bei räumlicher Trennung. Aber Obacht: Möglichst nicht nur über das Virus reden.

"Sehr wichtig ist, die Bettzeit nicht zu verlängern, da bei vielen Betroffenen eine längere Liegedauer und auch längerer Schlaf nicht zu einem Abbau, sondern einer Zunahme des Erschöpfungsgefühls und der Depressionsschwere führen", erläutert Hegerl. Hilfreich sei es, sich aufzuraffen, und einen detaillierten Tages- und Wochenplan zu machen.

Internetprogramm soll Depressiven helfen

Gerade das fällt aber depressiven Menschen häufig schwer. Deshalb hat die Depressionshilfe das kostenlose, internetbasierte Programm "iFightDepression" entwickelt. Das Tool ist für Menschen mit leichteren Depressionsformen ab 15 Jahren. Es unterstützt Betroffene beim eigenständigen Umgang mit den Symptomen und gibt Hinweise für den Alltag.

Durch Übungen lernen sie, den Tag zu strukturieren und negative Gedankenkreise zu durchbrechen. Normalerweise setzt "iFightDepression" eine Begleitung durch einen Arzt oder Psychotherapeuten voraus. Aufgrund der Krise ist das Programm nun für sechs Wochen auch ohne Begleitung zugänglich.

"Von Natur aus große Reserven, um Krisen zu meistern"

Dass durch die angespannte Situation eine allgemeine "Depressionswelle" ausgelöst werden könnte, glaubt Teresa Enke nicht. Die Witwe des Nationaltorhüters Robert Enke und Vorstandsvorsitzende der gleichnamigen Stiftung, die sich der Erforschung und Behandlung von Depressionen widmet, schreibt auf ihrem Blog: "Wir Menschen haben von Natur aus große Reserven, um Krisen zu meistern. Deshalb werden die meisten von uns während dieses Ausnahmezustandes vielleicht in einzelnen Momenten psychisch angespannt sein, aber wir müssen das gut trennen von wirklichen psychischen Krankheiten wie Depressionen."

Bei den wenigsten seien psychische Erkrankungen zu befürchten, aber doch "Befindlichkeitsstörungen". Dabei gelte für alle in dieser Ausnahmesituation dasselbe: "Man muss sich darauf vorbereiten. Dann findet man kreative Möglichkeiten, zufrieden weiterzuleben." 

Eigene Wahrnehmung wichtig

So könne man etwa mit Lebensmitteln, die man den Freunden vor die Tür stelle, etwas Besonderes machen. Tipps gibt's beim italienische Starkoch Massimo Bottura, der jeden Abend um 20 Uhr auf seinem Instagram-Kanal zum Kochkurs «Küchenquarantäne» einlädt.

Wie gut wir mit Krisensituationen umgehen, hängt auch davon ab, ob wir uns sozial eingebunden fühlen. Immo Fritsche, Sozialpsychologe an der Uni Leipzig, erklärt: "Die Forschung zeigt, dass es insbesondere unsere eigene Wahrnehmung ist, die entscheidet, ob wir uns sozial zugehörig fühlen. Das Gefühl, wichtiger Teil einer Familie, einer Hausgemeinschaft oder auch einer Gesellschaft zu sein, ist nicht primär davon abhängig, wie viele physische Kontakte ich tatsächlich im Alltag habe."

Lächeln und viel telefonieren

Es komme eher darauf an, ob man Solidarität in einer solchen Gemeinschaft wahrnehme und man im Notfall darauf zählen könne, dass einem eine Nachbarin Einkäufe mitbringe. Solche Angebote zu machen, kann somit in mehrfacher Hinsicht hilfreich sein.

Zu den Tipps der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung für eine gute Psycho-Hygiene zählt noch: "Lächeln Sie den Menschen, denen Sie begegnen, aus der Distanz zu." Lächeln aktiviere Hirnareale, die für Wohlbefinden sorgen und vermittele ein Gefühl von Solidarität. Und: "Denken Sie auch an Alleinstehende in Ihrem Umfeld - jetzt ist die Zeit für regelmäßige Telefonate. Sich um andere zu kümmern, kann eine gute Bewältigungsstrategie sein."


Quelle:
KNA