Pater Eberhard von Gemmingen über seine Zeit bei Radio Vatikan

"Radio Vatikan ist und war ein Geheimsender"

Der Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen war viele Jahre Redaktionsleiter bei Radio Vatikan. Am Sonntag wird er 85 Jahre alt. Im Interview erzählt er vom vatikanischen "Geheimsender" und einer Begegnung mit Papst Benedikt XVI.

Blick auf die Vatikanischen Gärten mit dem Verwaltungsgebäude und dem Sendemast von Radio Vatikan (l.), dem Kloster Mater Ecclesiae (m.) und der Lourdes-Grotte (r.) / © Romano Siciliani (KNA)
Blick auf die Vatikanischen Gärten mit dem Verwaltungsgebäude und dem Sendemast von Radio Vatikan (l.), dem Kloster Mater Ecclesiae (m.) und der Lourdes-Grotte (r.) / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch, Pater Gemmingen. Wir verbringen Sie Ihren Geburtstag?

Pater Eberhard von Gemmingen (ehemaliger Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan): Danke vielmals! Ich nehme an, dass man mich beim Mittagessen bei einem Glas Wein hochleben lässt. Es wird ein bisschen im Konvent und in der Familie gefeiert. Aber sehr maßvoll, sehr begrenzt.

DOMRADIO.DE: Fast 30 Jahre haben Sie die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan geleitet. Sie waren Priester und gleichzeitig Journalist. War das ein Problem?

Pater Gemmingen: Nein, eigentlich nicht. Meine Tätigkeit bei Radio Vatikan hatte schon auch einen seelsorglichen Akzent. Zudem habe ich versucht, den kritischen Geist in Deutschland gegenüber dem Vatikan zu befriedigen. Ich wollte möglichst sachlich informieren, statt zu überzeugen und zu bekehren. Etwa wenn es um Hans Küng oder Eugen Drewermann ging. Das musste man nicht 100-mal wiederholen, sondern einmal sagen. Die Hörerinnen und Hörer sollten wissen: Wir verschweigen nichts und reden nichts schön. Damit die Meldungen aus dem Vatikan annehmen und für wahr halten, sollte man kritische Stimmen aus dem deutschen Sprachraum nicht verschweigen.

DOMRADIO.DE: Ist Ihnen das gelungen?

Pater Gemmingen: Mehr oder weniger. Radio Vatikan ist und war ein Geheimsender. Denn welcher getaufte deutsche Katholik oder Protestant hört schon Radio Vatikan. Das ist nur eine kleine edle Minderheit. Leider hat der Vatikan nie erforscht, wie viele im deutschsprachigen Raum überhaupt zugehört haben. Viele Leute, die an Ostern und Weihnachten "Urbi et Orbi" gehört haben, dachten, das seien wir. Das ist aber der Bayerische Rundfunk.

DOMRADIO.DE: Eine besondere Verbindung hatten Sie zum emeritierten Papst Benedikt XVI.

Pater Gemmingen: Ja und nein. Wir haben uns 1969 beim Studium in Tübingen kurz kennengelernt. Als ich ihn in Rom das erste Mal begegnet bin, haben wir uns begrüßt und ich war sogar mal an Weihnachten zum Essen eingeladen. Aber bei Interviews wurden natürlich die Frankfurter Allgemeine oder Die Zeit vorgezogen, weil die viel bedeutender waren als Radio Vatikan. Ich musste Schlange stehen, um ein Interview zu bekommen bei Kardinal Ratzinger. Benedikt habe ich dann zweimal interviewt, einmal fürs Radio, einmal fürs Fernsehen zusammen mit den Intendanten von ARD, ZDF und Deutsche Welle. Aber das war stinklangweilig.

Das lag nicht am Papst oder an mir, sondern wir mussten ja vorher die Fragen einteilen. Wer stellt welche Frage, in welcher Reihenfolge? Und die anderen drei hatten von Kirche und Vatikan kaum eine Ahnung und haben ihre Fragen brav vorgelesen. Und der Papst hat brav geantwortet. Das war so, als würden vier Professoren einen Studenten namens Ratzinger befragen, der dann durchweg richtige Antworten gibt. Nachher haben wir uns die Hand gegeben - vorher nicht. Das war organisatorisch eine Katastrophe.

Der einzig Gute in der Runde war ich. Ich war auch der Einzige, der eine Rückfrage gestellt hat. Und es wurde dann auch ein bisschen gelacht. Für Ratzinger waren die drei anderen eher fremde, brave Herren, während ich von der Sache etwas verstand.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie auf Ihr langes Leben zurückblicken, was haben Sie besonders positiv in Erinnerung?

Pater Gemmingen: Das Aufregende war natürlich die Zeit, als Johannes Paul starb. Da wurde ich sehr häufig von Radio- und Fernsehanstalten zu Interviews gebeten, sowohl in Deutschland als auch in Rom. Diese Zeit des Tods von Johannes Paul II. und der Wahl von Ratzinger war fraglos besonders aufregend.

DOMRADIO.DE: Was machen Sie heute als Jesuit im Ruhestand?

Pater Gemmingen: Ich gebe ein Interview im DOMRADIO.

DOMRADIO.DE: Die Schlagfertigkeit haben Sie jedenfalls nicht verloren.

Pater Eberhard: Was mache ich? Als ich von Rom 2010 abberufen wurde, bekam ich den Auftrag, das Fundraising zu übernehmen: Betteln für die Jesuiten in Deutschland. Das habe ich fünf Jahre lang fulltime gemacht. Jetzt, die letzten fünf Jahre, helfe ich meinem Nachfolger ein bisschen beim Fundraising, aber sehr wenig. Ich schreibe Bücher. Nächsten Monat erscheint "Mystiker, Exzentriker, Märtyrer. Geistliche Spaziergänge in Rom". Da führe ich die Leser zu etwa 40 verschiedenen Leuten. Nicht nur zu Heiligen, sondern auch zu Unheiligen.

DOMRADIO.DE: Gibt es etwas, wofür Sie besonders dankbar sind?

Pater Gemmingen: Ja, schon für die Destination nach Rom, denn es hat wirklich gepasst. Als ich hinkam, war die Redaktion ein bisschen müde und verschlafen. Der liebe Gott hat es gefügt, dass junge Leute kamen, sich meldeten und fragten: Kann man hier arbeiten? Kann man hier ein Praktikum machen? Ich konnte die Redaktion ein bisschen vergrößern. Wir waren dann etwa fünf Fulltimer. Ich war der Senior und die anderen zwischen 20 und 30 Jahren jung. Wir wurden temperamentvoll.

Das Interview führte Gerald Mayer.


Pater Eberhard von Gemmingen SJ / © privat (privat)
Pater Eberhard von Gemmingen SJ / © privat ( privat )
Quelle:
DR