Rabbiner mahnt ehrlichen Dialog an

Unterschiede klar benennen

Der Rabbiner Walter Homolka mahnt die Kirche zum respektvollen Dialog auf Augenhöhe mit dem Judentum. Die häufige Floskel vom 'jüdisch-christlichen Abendland' verkenne, dass das Judentum nicht die bloße Vorform des Christentums sei.

Die heiligen Schriften des Islam, Judentums und Christentums / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Die heiligen Schriften des Islam, Judentums und Christentums / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Homolka, der auch Hochschullehrer ist, äußerte sich bei einer Veranstaltung am Mittwoch bei der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. "Unterschwellige und offene antijüdische Tendenzen dürfen für die christliche Identitätsbildung und Lehre keine Rolle mehr spielen", betonte Homolka laut Redemanuskript. "Die Aufgabe der christlichen Theologen wird es sein, eine Christologie zu schaffen, die ohne eine Karikatur des Judentums auskommt", so der Rabbiner.

Rabbiner Walter Homolka / © Harald Oppitz (KNA)
Rabbiner Walter Homolka / © Harald Oppitz ( KNA )

Nicht nur humanitäre Erwägungen führten Christen und Juden zusammen. "Wir sind vielmehr um Gottes Willen miteinander verbunden." Es reiche nicht, dass Christen sich auf ihre jüdischen Wurzeln aus biblischer Zeit beriefen. Dialog verlange Zeitgenossenschaft, das Gespräch zwischen Christen und Juden.

In Grundfragen unterschiedliche Positionen

"Weshalb tritt man mit dem zeitgenössischen Judentum nicht in einen Diskurs, der auch wahrnimmt, dass wir in wichtigen Grundfragen oft eine andere Position einnehmen als die katholische Kirche?", fragte Homolka. Dies gelte etwa bei Empfängnisverhütung, Stammzellforschung und Ehescheidung, bei der Abtreibung und der Gleichberechtigung der Frau, außerdem bei der Ordination von homosexuellen Kandidaten ins geistliche Amt.

"Wir haben zum Beispiel weltweit einen Frauenanteil von über 50 Prozent bei den neuordinierten Rabbinern in den drei nichtorthodoxen Richtungen des Judentums", erläuterte Homolka. "Vielleicht ist die Zeit gekommen, solche markanten Unterschiede auch mal mutig zu thematisieren", sagte der Rektor des 1999 gegründeten Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, dem ersten hierzulande nach der Schoah gegründeten Rabbinerseminar.

Ernüchterung bei Benedikts Pontifikat

Im Pontifikat Benedikts XVI. habe es aus jüdischer Sicht "ernüchternde" Zeichen gegeben. "Das dogmatische Christusbild als Überbietung alles Jüdischen wurde in den Jahren von 2005 bis 2013 in einer Weise bestätigt, dass die Kluft zwischen Judentum und Christentum wieder deutlich größer geworden scheint." Äußerungen von Papst Franziskus hingegen seien "ein Lichtblick", so der Professor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit. In Sankt Georgen sprach er zum Thema "Der unüberwindliche Graben: Wahrheit in Vielfalt".

 

Quelle:
KNA