Rabbiner Henry G. Brandt ist tot

Trauer um einen Brückenbauer

Der Tod von Rabbiner Henry G. Brandt hat große Trauer hervorgerufen. Er war eine treibende Kraft im jüdisch-christlichen Dialog. Der Zentralrat der Juden würdigte ihn als eine der "prägenden Persönlichkeiten im liberalen Judentum ".

Autor/in:
Von Leticia Witte und Christopher Beschnitt
Henry G. Brandt, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz / © Jörg Loeffke (KNA)
Henry G. Brandt, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz / © Jörg Loeffke ( KNA )

Henry G. Brandt starb am Montag im Alter von 94 Jahren in Zürich. Das bestätigten der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK), Rabbiner Andreas Nachama, und der Berliner Rabbiner Jonah Sievers am Dienstag.

"Mit Klugheit und einem großen Wissen"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland würdigte Brandt als eine der "prägenden Persönlichkeiten im liberalen Judentum sowie im jüdisch-christlichen Dialog in Deutschland". Präsident Josef Schuster erklärte, Brandt habe über Jahrzehnte "mit Klugheit und einem großen Wissen den jüdisch-christlichen Dialog geführt. Dabei ist es ihm gelungen, auch in schwierigen Phasen den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen. Beharrlich und ohne den eigenen Standpunkt zu verleugnen, hat er immer wieder Brücken zu den Kirchen geschlagen."

Für die ARK würdigte Nachama den Gründungsvorsitzenden Brandt als den "Doyen des liberalen Judentums in Deutschland". Er habe es über Jahrzehnte hinweg vermocht, "Reformen in die jüdische Tradition und Tradition in alles Neue zu geben".

"Einer der großen Pioniere"

Der erste Vorsitzende der Union progressiver Juden in Deutschland, Rabbiner Walter Homolka, nannte Brandt "einen der großen Pioniere" des liberalen Judentums in Deutschland. "Über Jahrzehnte hat dieser Diplomat zwischen den Religionen das Gespräch von Juden, Christen und Muslimen geprägt."

Rabbiner Sievers sagte, sein Lehrer habe Menschen mitreißen können. Sievers unterstrich Brandts versöhnende Rolle trotz der Verfolgung seiner Familie in der NS-Zeit. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, betonte, dass Brandt wie kaum ein Zweiter dazu beigetragen habe, "nach der völligen Zerstörung das jüdische Leben in seinem Geburtsland Deutschland wieder aufzubauen".

Persönlichkeit des Dialogs

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nannte Brandt auf Twitter "eine herausragende Persönlichkeit des Dialogs und der Verständigung". Fast drei Jahrzehnte habe er den Gesprächskreis "Juden und Christen" beim ZdK mit Klugheit, feinem Humor und toleranter Gelassenheit entscheidend geprägt. Der Augsburger Bischof Bertram Meier bezeichnete Brandt als einen "'älteren Bruder', der in seinem Glauben treu und verlässlich war", und über eine tiefe Weisheit verfügt habe. Würdigungen kamen auch von der Stadt Augsburg, deren Ehrenbürger Brandt war, sowie von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die unter anderem betonte, dass der Rabbiner im Herzen stets jung geblieben sei.

Brandt wurde am 25. September 1927 in München als Heinz Georg Brandt geboren. Mit der Familie floh er in der NS-Zeit über Großbritannien ins damalige Palästina. Nach dem Krieg war Brandt Flottenoffizier in der israelischen Marine. Danach studierte er Nationalökonomie in Belfast. Später wandte er sich dem Rabbinatstudium zu, das er 1966 am Leo Baeck College in London abschloss. Es folgten Stellen in Leeds, Genf, Zürich und Göteborg. 1983 kehrte Brandt nach Deutschland zurück und war unter anderem Landesrabbiner von Niedersachsen und Westfalen-Lippe sowie Rabbiner für Schwaben-Augsburg und Bielefeld. Für sein Wirken wurde Brandt vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Bundesverdienstkreuz.

Quelle:
KNA