Publizist Püttmann warnt Franziskus vor falschem Beifall

Geistliche Autorität des Papstes in Gefahr

Ausgerechnet rund um den 11. Jahrestag seiner Papst-Wahl hat Franziskus viel Kritik aufgrund seiner Ukraine-Äußerungen erfahren. Andreas Püttmann sieht ihn seitdem aber auch von bedenklichen Claqueuren umgarnt. Ein Gastkommentar.

Autor/in:
Dr. Andreas Püttmann
Seit mehr als zwei Jahren tobt der Krieg Russlands gegen die Ukraine. / © Drop of Light (shutterstock)
Seit mehr als zwei Jahren tobt der Krieg Russlands gegen die Ukraine. / © Drop of Light ( shutterstock )

"Dass Kirchen 'für den Frieden' sein müssten, scheint eine der letzten Binsen zu sein, die uninformierte Zeitgenossen vom abgelegten Christentum zu wissen meinen. 

Entsprechend setzen sich nun in Socialmedia die Claqueure von Papst Franziskus zusammen, der den Ukrainern zur "Weißen Fahne" riet: weit überproportional viele Eso- und Coronaschwurbler, AfD-Verhetzte, Wagen- und Putinknechtler, die sonst gern mal zum Kirchenaustritt auffordern und zum monströsen Umfang der russischen Kriegsverbrechen kaum ein Wort fanden. "Sage mir, wer Dir Beifall zollt, und ich sage Dir wer Du bist"?

Böses auch benennen

Gewiss, der militärisch-politisch machtlose Vatikan tut gut daran, sich in Kriegen nicht so scharf zu positionieren, dass er seine manchmal erfolgreiche Rolle des Vermittlers verlieren könnte. Doch Krieg ist nicht gleich Krieg: Bei großen imperialistischen Vernichtungsfeldzügen, in denen es zudem um eine Systemfrage globaler Dimension und durchaus um Gut und Böse geht, müssen kirchlicherseits die Unterscheidung der Geister und das religiös-ethische Zeugnis vorrangig werden gegenüber bloßer Besänftigung und Einhegung von Konflikten. Erhoffte Diplomatie-Beiträge dürfen nicht das christliche Proprium empathischer und advokatorischer Liebe verdrängen. 

Diese "DNA" des Christentums kann nur zur Solidarität mit Überfallenen, Gequälten, Terrorisierten, in ihrer schieren Existenz Bedrohten führen, ohne falschen "Bothsideism" - und ohne Rücksicht darauf, dass man es sich mit einer anderen Kirche verderben könnte. 

Patriarch Kyrill mit Präsident Wladimir Putin (r.) / © Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP (dpa)
Patriarch Kyrill mit Präsident Wladimir Putin (r.) / © Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP ( dpa )

Die russische Orthodoxie unter Kyrill ist von ihrer Spitze her faulig, eine Perversion von Christentum. Da hört die Ökumene auf.

Nur vermeintliche Familienwerte

Hinzu kommt ein unappetitlicher Verdacht: Der Kardinalstaatssekretär, der nun durch nachträgliche "Einordnungen" der Papstworte Schadensbegrenzung versucht, sprach 2015 gegenüber Journalisten von Konvergenzen mit Russland bei den "Familienwerten" – eine Chiffre für die illiberale und unwissenschaftliche Haltung gegenüber der Gleichberechtigung von LGBT-Personen, nicht selten verbunden mit dem Vorwurf der Dekadenz an die westliche Welt, in welcher dem Katholizismus gerade die Felle davonschwimmen. 

Ob die alte antiliberale Unterströmung des römischen Katholizismus im jetzigen Systemkonflikt um die nach Westen strebende Ukraine mit wirksam ist? 

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra (dpa)
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin / © Dalati & Nohra ( dpa )

Den "Weltfamilienkongress" 2014 im Kreml, auf dem Kiew für eine Gay-Pride-Parade verteufelte wurde, beehrte der Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie jedenfalls mit einem Grußwort-Video. Die Krim hatte Russland da schon überfallen.

Altersredseligkeit schadet allen

Schon Benedikt XVI. ramponierte unter dem Einfluss schlechter Berater und abnehmender Kräfte sein Lebenswerk, indem er, seinem 2013 versprochenen Rückzug in ein stilles Gebetsleben zum Trotz, sich immer wieder öffentlich einließ, teils unter dem früheren Niveau. Altersredseligkeit droht nun auch Franziskus’ Leistung zu beschädigen. 

Papst Franziskus nachdenklich  / © Vatican Media/Romano Siciliani/ (KNA)
Papst Franziskus nachdenklich / © Vatican Media/Romano Siciliani/ ( KNA )

Der Vatikan sollte zu seiner alten Sparsamkeit mit päpstlichen Wortmeldungen außerhalb von Liturgien, Enzykliken und Ansprachen zurückkehren. Inflation entwertet das Einzelstück und politischer Dilettantismus die geistliche Autorität des Pontifex."

Dr. Andreas Püttmann ist Politologe und Publizist.

 

Quelle:
DR