Protestanten wünschen sich solidarisches Europa

"Keiner darf auf der Strecke bleiben"

Mit einem Bekenntnis zu einem weiteren Zusammenwachsen Europas ist die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland fortgesetzt worden. Doch die politische Realität sehen die Protestanten kritisch.

 (DR)

Die evangelische Kirche wünscht sich ein solidarisches Europa. "Das Problem Europas ist, dass nicht alle mitgenommen werden. Es bleiben zu viele auf der Strecke", sagte der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gerhard Wegner, am Montag am Rande der EKD-Synodentagung in Magdeburg nach der Präsentation einer Studie, derzufolge die Europäische Union (EU) bei den Menschen in Deutschland aktuell ein schlechtes Image hat. Weiteres Thema bei den Beratungen des Kirchenparlaments war der EKD-Haushalt für das nächste Jahr.

Für die repräsentative Studie über Ansichten zu Europa hatte das Sozialwissenschaftliche Institut in Zusammenarbeit mit den Meinungsforschern von TNS Emnid im September 2.013 Frauen und Männer ab 14 Jahren befragt. Demnach halten es 87 Prozent für wünschenswert, wenn sich die Staatengemeinschaft stärker dem Kampf gegen Armut und soziale Ungleichheit zuwendet.

Befragt nach den Profiteuren der Europäischen Union nannten 86 Prozent die Unternehmen, 81 Prozent die Finanzwirtschaft und 72 Prozent Besserverdienende. Nur 29 Prozent glauben, dass Arbeitslose von der Europäischen Union Vorteile haben. 28 Prozent nannten Rentner und 21 Prozent Geringverdiener als Profiteure. "Europa muss es gelingen, solidarischer zu werden", schlussfolgerte der Sozialforscher Wegner.

Glaube kann zu rechten Haltungen führen

Wie aus einer weiteren bei der Synode vorgelegten Studie hervorgeht, kann christlicher Glaube sowohl zu rechtspopulistischen Ansichten wie auch zu liberalen Haltungen führen. Zwar seien in Kirchengemeinden feindliche Einstellungen wie Antisemitismus, Homophobie und Islamophobie festgestellt worden. Es gebe aber auch "starke Faktoren" von Widerstandsfähigkeit, heißt es im Bericht des Rates der EKD zu der qualitativen Untersuchung "Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur". Demnach hängen die mit Religion verbundenen Einstellungen davon ab, wie der persönliche Glaube erlebt wird und welche Diskussionskultur in den jeweiligen Kirchengemeinden vorherrscht.

Da für die qualitative Studie jedoch nur 48 Personen in jeweils einer Gemeinde in einer westdeutschen Großstadt, einer ostdeutschen Kleinstadt und einem Dorf in Südwestdeutschland befragt wurden, will der Rat der EKD keine Schlüsse daraus ziehen. Die qualitative Studie müsse "vertieft interpretiert und durch weitere Forschungen ergänzt werden", schreibt der Rat.

Verbesserungsbedarf beim Arbeitsrecht

Fünf Jahre nach der Verabschiedung von Richtlinien für das kirchliche Arbeitsrecht haben Repräsentanten der evangelischen Kirche, Mitarbeitervertreter und die Gewerkschaft ver.di eine kritische Zwischenbilanz gezogen. "Es gibt Bereiche, wo wir noch Verbesserungsbedarf haben", sagte der Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Klaus Eberl, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler hatte erklärt, wesentliche Punkte zur solidarischen Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts seien bis heute nicht umgesetzt worden. Als Beispiel nannte sie den von der EKD-Synode 2011 geforderten verbindlichen Leittarif und einen bundesweiten Rahmen mit gemeinsamen Regelungen.

"Von diesem Ziel sind die evangelische Kirche und ihre Diakonie meilenweit entfernt", sagte Bühler. Die Vielzahl von arbeitsrechtlichen Kommissionen in Kirche und Diakonie belege die Zersplitterung des Tarifrechts.

Eberl forderte, Tariftreue müsse für die Kirche ein Standard sein. "Es gibt noch schwarze Schafe", räumte der rheinische Oberkirchenrat am Rande der diesjährigen Synodentagung ein. Einzelne Sozialunternehmen seien inzwischen aus den Diakonischen Werken ausgeschlossen worden. Er gehe davon aus, dass das Nebeneinander tariflicher Regelungen und des Dritten Weges der Kirchen im Arbeitsrecht erhalten bleiben werde.

Der Dritte Weg geht vom Verständnis einer Dienstgemeinschaft aus, die Beschäftigte als Dienstnehmer und Kirche und Diakonie als Dienstgeber sieht, die ihre Angelegenheiten in arbeitsrechtlichen Kommissionen aushandeln. Zu den Besonderheiten gehört, dass Arbeitskampfmittel wie Streik und Aussperrung ausgeschlossen sind.

EKD-Haushalt wächst wegen Reformationsjubiläum

Trotz sinkender Mitgliederzahlen lässt die gute Konjunktur die Steuereinnahmen der evangelischen Kirche steigen. 2015 haben sich die Erträge im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro erhöht. Ratsmitglied Andreas Barner sprach bei der Einbringung des Haushaltsgesetzes für 2017 von "finanziell guten Zeiten". Langfristig werde das das jedoch nicht so bleiben.

Der Entwurf zum Haushalt der EKD für 2017, der sich hauptsächlich aus Umlagen der 20 Landeskirchen speist, sieht ein Volumen von 215,9 Millionen Euro vor. Der Zuwachs um rund 8,7 Prozent im Vergleich zum laufenden Jahr erklärt sich vor allem mit den Feiern zum 500. Reformationsjubiläum.

 

Quelle:
epd