Prominente Kirchenvertreter erörtern Lage des Katholizismus in Deutschland

Trotz guter Stimmung zu wenig Spirit?

Es ist Bewegung gekommen in die deutsche katholische Kirche: Nicht nur, dass ein deutscher Papst und eine neue Aufmerksamkeit für Religion die Menschen bewegt, auch der Generationswechsel in den deutschen Bistümern ist in vollem Gange. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer SJ, und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prof. Hansjoachim Meyer diskutierten am Dienstag bei den Frankfurter Domgesprächen die Lage des Katholizismus in Deutschland - und waren nicht immer einer Meinung.

Autor/in:
Rainer Clos
 (DR)

Für einen Wunsch an die katholischen Bischöfe erhält der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer, den meisten Beifall. Er würde sich freuen, so formulierte der oberste Repräsentant des Laienkatholizismus, wenn die Oberhirten in Deutschland künftig klarer auf Distanz zu steilen Thesen des einen oder anderen Amtsbruders im politischen Tagesstreit gingen.

Mit Zustimmung wurde vermerkt, dass der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sich deutlich von Verbalattacken des Augsburger Bischofs Walter Mixa in der Familienpolitik abgesetzt hatte. Mixas Begriffe wie "Gebärmaschine" oder "Herdprämie" gehörten nicht zu seinem Wortschatz, hatte Zollitsch in einem "Spiegel"-Interview klargestellt.

Doch Zdk-Präsident Meyer und der Sekretär der katholischen Bischöfe, Hans Langendörfer, beließen es nicht damit, Reizworte aus den Interviews der neuen Nummer eins der katholischen Kirche zu analysieren. Wenige Tage nach der Wahl von Zollitsch zum Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann loteten sie am Dienstagabend die Lage des Katholizismus in Deutschland aus. Beide sind sich einig, als Richtungswechsel könne die Entscheidung für den Freiburger Erzbischof kaum interpretiert werden.

Der neue Spitzenmann kenne sich in den Themen aus, die die Kirche bewegten, sagte Langendörfer, der seit zwölf Jahre das Bonner Bischofssekretariat leitet und in Würzburg im Amt bestätigt wurde.

ZdK-Präsident Meyer hofft, dass unter Zollitsch das Erbe des Konzils und kirchlichen Aufbruchs nicht aufgegeben werde. Denn es gebe durchaus Strömungen, die strukturelle Errungenschaften aus dieser Aufbruchzeit - wie Mitwirkung der Laien - in die Mottenkiste der Kirchengeschichte entsorgen möchten. Der Sekretär der Bischofskonferenz will es bei der Verwaltung des Erbes nicht belassen. Das neue religiöse Interesse, wie es sich am Weltjugendtag oder dem Papstwechsel ablesen lasse, müsse beflügeln, wirbt er. Hier sei Dynamik und mehr Spirit gefragt.

Keine Übereinstimmung gibt es zwischen dem Kleriker Langendörfer und dem Laien-Präsidenten beim Begriff Volkskirche. Für Meyer, der Diaspora-Erfahrungen aus Ostdeutschland im Gepäck hat, klingt darin zu viel Gleichsetzung von Volk mit Kirche mit. "Wenn Kirche und Volk identisch sind, wird der Glaube unscharf", wirbt er für einen profilierten Katholizismus. Hingegen ist Volkskirche für Langendörfer völlig positiv besetzt. Zum geistlichen Aufbruch gehöre es, "dass wir nicht unter uns bleiben".

Nicht gelten lässt der Jesuit Langendörfer die Auffassung, dass die katholische Kirche in den Nachbarländern lebendiger, missionarischer und dynamischer sei. Auf einen Kulturkampf, wie ihn die katholische Kirche in Spanien gegen die regierenden Sozialisten derzeit führe, könne er gerne verzichten. Und der Umstand, dass die Kirche in Deutschland mit jeder Partei reden könne, sei durchaus Grund, stolz zu sein. Auch der Einbruch beim Priesternachwuchs oder den kirchlichen Trauungen sei keine deutsche Besonderheit.

Die Ökumene, deren Abkühlung zuletzt beklagt wurde, spielt bei der katholischen Standortbestimmung nur eine untergeordnete Rolle. Mit ihren gemeinsamen sozialethischen Positionen aus den 90er Jahren bräuchten sich die Kirchen nicht zu verstecken, findet Langendörfer.
Zugleich müsse darauf geachtet werden, dass diese nicht zu viel Staub ansetzten. Und im Blick auf den Ökumenischen Kirchentag, der für 2010 in München geplant ist, mahnt der Sekretär klarere Konturen an. Das bisherige Konzept für die Großveranstaltung überzeuge ihn noch nicht.
ZdK-Präsident Meyer, Mitveranstalter des Kirchentages, wirbt für Realitätssinn. Es mache keinen Sinn, sich über Trennendes zwischen den Konfessionen einfach hinwegzusetzen.