domradio.de: Warum sollen die Videos genau eine Minute und 31 Sekunden lang sein?
Prof. Sellmann: Das normale Medienformat ist 1.30 Minuten. Wir geben eine Sekunde hinzu, und das ist in mehrfacher Weise symbolisch zu verstehen. Zum einen geht es um Kreativität, die über das Normale hinausgeht, also eine Sekunde mehr. Thematisch geht es um etwas, das auf Youtube nicht so üblich ist, nämlich, sich zu existentiellen Lebens- und Glaubensfragen filmerisch und unterhaltsam zu äußern. Und es gibt mit Genesis 1.13 eine großartige Bibelstelle: "Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und es war brillant". Diesen Bibelvers haben wir über den gesamten Wettbewerb gestellt um zu zeigen, hier geht es um etwas mehr, als man sonst so kannte.
domradio.de: Wie christlich sollen die Videos denn werden?
Prof. Sellmann: Sie sind dann christlich, wenn sie sich zu den Fragen äußern: "Was liebe ich, wie glaube ich und worauf hoffe ich?". Es geht uns nicht um eine eingenordete und schon vorformatierte kirchlich-christliche Art Filme zu machen. Wir möchten junge und kreative Tuber dazu einladen, sich zu diesen Fragen filmerisch zu artikulieren. In dem Moment sind wir von der christlichen Fraktion eingeladen, das als eine Antwort auf die Fragen zu sehen, die wir uns selbst auch stellen und die wir dann eher kirchlich und mit Bezug zu Jesus beantworten würden. Aber darum geht es nicht, es geht um eine echte und freie Kreativität, die nicht schon kirchlich vorgespurt sein soll.
domradio.de: Youtube-Videos bieten ja oft eher oberflächliche Unterhaltung. Passen denn da solche Bekenntnisvideos überhaupt rein?
Prof. Sellmann: Es gibt ja auf Youtube erheblich mehr, als man denkt. Es gibt dort unglaublich starke und berührende Filme und nicht nur Quatsch und Soap. Und selbst mit Quatsch und Soap kann man durchaus Dinge, die uns wichtig sind, unterhaltsam mitteilen. Es ist gerade eine Fortschritt und eine Herausforderung für uns, dass uns Youtube sagt, es muss kurz und unterhaltsam sein. Jesus war auch sehr unterhaltsam und hat seine Zuhörer auch zum Lachen gebracht. Man kann in anderthalb Minuten sehr starke und bewegende Bilder produzieren. Ich bin sicher, es gibt Talente, die nur eine vernünftige Fragestellung gebraucht haben, damit ihre Kreativität angekurbelt wird.
domradio.de: Das Projekt dürfte viele Katholiken überraschen, es kommt ja auch provozierend daher.
Prof. Sellmann: Die Kritik, die auch hinter unserem Wettbewerb steht, ist die, dass wir uns als Kirche oft mit sehr gewohnten, vorhersehbaren und überraschungsarmen Bildern und Inszenierungen an die Öffentlichkeit wenden. Da möchten wir gerne einen Gegenpunkt setzen, da ist mehr drin: Kirche und Christsein kann sich über neue Bildwelten und Sprachformen präsentieren und glaubwürdig machen. Das ist ein Ziel unseres Wettbewerbs.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.