Probleme rund um die Pflege

Ein gescheitertes Vorhaben

Pflegende Angehörige können vom Staat ein zinsloses Darlehen bekommen. So will der Bund Anreize schaffen, damit sich Menschen selbst um ihre Familienmitglieder kümmern. Das scheint aber nicht zu klappen. 

Häusliche Pflege / © Ina Rottscheidt (DR)
Häusliche Pflege / © Ina Rottscheidt ( DR )

Pflegende Angehörige nehmen das staatliche Angebot eines zinslosen Darlehens als Ausgleich für Verdienstausfall offenbar kaum in Anspruch. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr nur 181 Darlehen bewilligt. Dazu kommen 311 laufende Verträge, die seit Einführung des Pflege-Darlehens 2015 geschlossen wurden, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Grünen-Fraktion hervorgeht, die der "Rheinischen Post" (Mittwoch) vorliegt. Die Ausgaben des Bundes für die Pflegedarlehen betrugen dem Bericht zufolge 2017 rund 756.000 Euro. Im Haushalt veranschlagt waren demnach 8,1 Millionen Euro.

"Die große Koalition muss sich eingestehen, dass dieses Pflege-Darlehen keine Wirkung entfaltet", sagte die Haushaltsexpertin der Grünen, Ekin Deligöz. "Man wollte gezielt Pflegenden helfen, hat sich aber für eine Spar-Variante entschieden, die gefloppt ist." Sie sprach sich für die Einführung einer dreimonatigen Pflegezeit mit Lohnersatz aus.

Angebot geht an Bedürfnissen der Menschen vorbei

Ende Januar hatte der "Spiegel" berichtet, dass seit dem 1. Januar 2015 insgesamt 754 Anträge beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben eingereicht worden seien. 618 seien bewilligt worden. Dem Magazin zufolge gibt es in Deutschland rund 2,9 Millionen Pflegebedürftige, gut zwei Drittel von ihnen werden von Angehörigen oder durch ambulante Dienste versorgt.

Das zinslose Darlehen soll es Beschäftigten erleichtern, für die Zeit der Pflege aus dem Beruf auszusteigen. Es wird in monatlichen Raten ausgezahlt, die Empfänger müssen es nach Ende der Freistellung ebenfalls in Raten wieder zurückzahlen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte die Darlehensregelung bei den Pflegezeiten als gescheitert bezeichnet. "Sie geht an den Bedürfnissen der 360.000 pflegenden Angehörigen, die berufstätig sind, vorbei", sagte Vorstand Eugen Brysch.

Experten fordern Aufwertung der Pflegeberufe

Experten aus der Altenpflege fordern unterdessen eine Aufwertung der Pflegeberufe durch die Politik. Der Koalitionsvertrag sei bei diesem Thema zu wenig konkret, kritisierte der Präsident des Deutschen Berufsverbands der Pflegeberufe (DBfK), Franz Wagner, am Dienstag zum Auftakt des Zukunftstags und der Leitmesse Altenpflege in Hannover. Die versprochenen 8.000 zusätzlichen Stellen seien zwar gut und schön, allerdings könne er nicht erkennen, wie sie finanziert werden sollten.

"Wir wünschen uns, dass ein Ruck durch die Pflegepolitik geht", sagte Miriam von Bardeleben, Leiterin des Verlags Vincentz Network Altenhilfe und Veranstalterin der Messe. Bei der Leitmesse Altenpflege zeigen bis Donnerstag rund 550 Aussteller auf dem Hannoveraner Messegelände Produkte und Dienstleistungen für die stationäre und ambulante Pflege. Parallel findet der Zukunftstag Altenpflege mit über 90 Fachvorträgen statt.

Lauterbach: Pflege muss für neue Bundesregierung Priorität haben

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, dass die neue Bundesregierung unverzüglich ihre Vorhaben zum Thema Pflege umsetzt. "Alles, was mit Pflege zu tun hat, muss sofort angefasst werden", sagte Lauterbach der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwoch). Es gehe um lange Gesetzgebungsverfahren, die in den nächsten Monaten gestartet werden müssten.

Als erstes müsse die Finanzierung der Pflege im Krankenhaus aus den Fallpauschalen herausgenommen werden, forderte Lauterbach. "Die Krankenhauspflege muss wieder kostendeckend finanziert werden", sagte der SPD-Politiker. Auch das Sofortprogramm für mehr Personal in der Altenpflege und die Stärkung von Tarifverträgen müssten unverzüglich umgesetzt werden.

Was steht im Koalitionsvertrag?

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag unter anderem vereinbart, mit einem von den Kranken- und Pflegekassen finanzierten Sofortprogramm 8.000 neue Stellen für Pflegeeinrichtungen zu schaffen. Krankenhäuser sollen mehr Geld für Pflegepersonal erhalten.

Auch eine Ausbildungsoffensive, Anreize für die Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung und die Weiterqualifizierung von Hilfs- zu Fachkräften sollen für mehr Pflegepersonal sorgen. Künftig sollen zudem in der Altenpflege Tarifverträge flächendeckend angewendet werden.


Quelle:
KNA