"Pro Reli" mit Volksbegehren offenbar erfolgreich

Erste Hürde genommen

Knapp eine Woche vor dem Ende der Unterschriftensammlung hat die Bürgerinitiative "Pro Reli" offenbar ihr Etappenziel erreicht: Mehr als 195.000 Stimmen hat sie nach eigenen Angaben in den vergangenen vier Monaten für eine freie Wahl zwischen Religions- und Ethikunterricht gesammelt. Auch bei einem Abzug von erfahrungsgemäß rund 10 Prozent ungültiger Stimmen hätte sie demnach die Hürde von 170.000 Unterschriften genommen. Mit Erreichen dieser Zahl, die 7 Prozent der stimmberechtigten Berliner entspricht, kann ein Volksentscheid stattfinden.

 (DR)

Laut Grundgesetz ist der Religionsunterricht ein ordentliches Unterrichtsfach. Ausnahmen sind jedoch für die Bundesländer möglich, in denen vor dem 1. Januar 1949 eine andere Regelung bestand. Auf diese sogenannte «Bremer Klausel» beruft sich das Land Berlin. Dort hat der Religionsunterricht faktisch den Rang einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft. Er wird zwar in der Schule, aber in alleiniger Verantwortung der Religionsgemeinschaften erteilt.

Unbehagen an dem Sonderstatus gibt es seit langem, etwa weil Religion zumeist nur in Randstunden angeboten wird. Die Kritik verschärfte sich, als die SPD/PDS-Koalition vor gut zwei Jahren ein staatliches Ethikpflichtfach ab der siebten Klasse etablierte. Es führte in den betroffenen Klassen dazu, dass die Anmeldungen zum Religionsunterricht um bis zu 30 Prozent zurückgingen. An manchen Schulen kann das Fach deswegen nicht mehr angeboten werden.

Durch einen Volksentscheid will die ökumenische Bürgerinitiative nun erreichen, dass der Religionsunterricht zum gleichberechtigten Alternativfach mit Ethik wird. Dabei wird sie vor allem von den Kirchen, CDU und FDP, darüber hinaus der Jüdischen Gemeinde und islamischen Verbänden unterstützt. Rückendeckung erhält «Pro Reli» aber auch von prominenten Sozialdemokraten wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles sowie von der früheren grünen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer.

Die Gegner etwa aus dem Humanistischen Verband haben sich in einem Bündnis «Pro Ethik» zusammengeschlossen. Sie werfen der Initiative vor, dem im Ethikfach angestrebten religionsübergreifenden Dialog zu schaden. «Pro Reli» kann sich aber gemeinsame Einheiten der beiden Fächer gut vorstellen.

Die gesammelten Unterschriften werden vom Landesabstimmungsleiter geprüft. Das offizielle Ergebnis des Volksbegehrens muss dann spätestens am 5. Februar vorliegen. Wenn möglich, solle aber diese Frist nicht ausgeschöpft werden, heißt es aus der Geschäftsstelle.
Als möglicher Termin für den Volksentscheid ist bereits der Tag der Europawahl am 7. Juni im Gespräch. Das Land Berlin würde durch diese Bündelung Kosten sparen, die Initiatoren erhoffen sich eine höhere Beteiligung. Immerhin benötigen diese die Stimmen von mindestens 610.000 Berlinern, das sind ein Viertel der Stimmberechtigten.

Zumindest theoretisch möglich ist aber auch, dass sich nach einem erfolgreichen Volksbegehren, das längst bundesweit Beachtung gefunden hat und als ein Gradmesser für die Mobilisierungsfähigkeit der Kirchen gilt, Berliner Abgeordnetenhaus und Initiatoren von «Pro Reli» zusammenfinden und einen Kompromiss aushandeln. Denkbar sind verschiedene Modelle, etwa ein ordentliches Unterrichtsfach Religion bei verpflichtenden gemeinsamen Einheiten mit dem Ethikunterricht.
Abzuwarten bleibt dabei, inwieweit sich der Druck auf die Berliner SPD, die in der Frage als bundesweit recht isoliert erscheint, erhöht.