Berlin wird bei Pro-Reli-Erfolg notfalls Islamkunde einführen

Wie geht es weiter?

Bei einem Erfolg des Volksbegehrens "Pro Reli" strebt das Land Berlin unter Umständen die Einführung des Schulfaches "Islamkunde" an. Dies wäre dann der Fall, wenn sich die verschiedenen muslimischen Verbände und Gemeinden nicht mit dem Senat über einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einigen könnten, sagte der Berliner Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall am Mittwoch dem epd. "Islamkunde" sei ein rein staatliches Fach und fiele nicht unter den besonderen Schutz des Grundgesetz-Artikels 7, Absatz 3.

 (DR)

Bei einem Erfolg des Volksbegehrens «Pro Reli» strebt das Land Berlin unter Umständen die Einführung des Schulfaches «Islamkunde» an. Dies wäre dann der Fall, wenn sich die verschiedenen muslimischen Verbände und Gemeinden nicht mit dem Senat über einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einigen könnten, sagte der Berliner Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall am Mittwoch dem epd. «Islamkunde» sei ein rein staatliches Fach und fiele nicht unter den besonderen Schutz des Grundgesetz-Artikels 7, Absatz 3.

Die Initiatoren des Volksbegehrens müssen bis nächsten Mittwoch 170.000 gültige Unterschriften sammeln, um einen Volksentscheid zur Gleichstellung des bislang freiwilligen Religionsunterrichtes mit dem 2006 eingeführten Pflichtfach Ethik durchzusetzen. Sollte auch der Volksentscheid erfolgreich abgeschlossen werden, würde an den Berliner Schulen ein Wahlpflichtbereich Ethik/Religion geschaffen. Dabei werde es «nur einen einzigen islamischen Religionsunterricht geben können», stellte Pokall klar.

Bislang bietet neben den Aleviten nur die umstrittene Islamische Föderation einen Unterricht für muslimische Schüler an. Das Recht dazu hatte sich die unter Extremismusverdacht stehende Organisation vor Gericht erstritten, was in Berlin die Diskussion um ein Ethikfach mit ausgelöst hatte. Derzeit gibt es in keinem Bundesland islamischen Religionsunterricht flächendeckend als ordentliches Lehrfach. Grund ist die fehlende Einigkeit unter den muslimischen Verbänden über einen gemeinsamen Verhandlungspartner für die Schulbehörden.
Islamkunde wird derzeit lediglich in Nordrhein-Westfalen an 140 Schulen auf freiwilliger Grundlage angeboten.

Pokall kündigte weiter an, dass bei einem erfolgreichen Abschluss von Volksbegehren und Volksentscheid die derzeitigen muslimischen Lehrkräfte für eine Übergangszeit möglicherweise weiterbeschäftigt würden. «Wir werden die bisherigen Anbieter des Islamunterrichts genauso behandeln müssen wie die christlichen Kirchen.» Daher würde auch mit ihnen wie auch mit den anderen muslimischen Verbänden gegebenenfalls über einen gemeinsamen islamischen Religionsunterricht verhandelt. Sollten diese Gespräche scheitern, werde die Schulverwaltung die Einführung von Islamkunde «ernsthaft betreiben», unterstrich der Landesschulrat. Für die Einführung bräuchte die Verwaltung aber mindestens anderthalb Jahre Vorlaufzeit.

Auch auf Seiten der christlichen Kirchen sind bei einem Pro-Reli-Erfolg möglicherweise in ihren Reihen unerwünschte Folgen nicht ausgeschlossen. Landesschulrat Pokall verwies darauf, dass bei einem entsprechenden Ausgang des Volksentscheides auch der evangelische und katholische Religionsunterricht, der in Berlin aus historischen Gründen bislang lediglich auf freiwilliger Grundlage und in Verantwortung der Kirchen erteilt wird, der staatlichen Schulaufsicht unterstünde. «Er ist keine Christenlehre und keine Vorbereitung auf das Gemeindeleben», betonte er.

Der Religionsunterricht werde «hie und da aus einer gewissen Betulichkeit herauskommen müssen», wenn er ordentliches Lehrfach wird, sagte Pokall weiter. Zugleich unterstrich der oberste Berliner Schulbeamte mit Blick auf die katholische Kirche: «Für Indoktrination und fundamentalistische Positionen etwa in der Sexuallehre gibt es keinen Platz.»

Das Berliner Erzbistum teilte hierzu dem epd mit, dass die Schulaufsicht bereits jetzt eingeladen sei, sich jederzeit ein Bild von der Qualität des katholischen Religionsunterrichtes zu machen.

Die dem Landesschulrat vorliegenden Lehrpläne, die bereits in Mecklenburg-Vorpommern staatlich anerkannt seien, gäben zu derartigen Befürchtungen keinerlei Anlass. Die Gefahr, dass einzelne Lehrer im Unterricht fundamentalistische Positionen bezögen, bestehe zudem für alle anderen Fächer ebenso. Erzbistumssprecher Stefan Förner betonte darüber hinaus, dass die katholische Kirche keinerlei Schwierigkeiten damit habe, wenn der Religionsunterricht wie in anderen Bundesländern der staatlichen Schulaufsicht unterstünde. Auch verstehe sie diesen Unterricht keineswegs als Christenlehre und Vorbereitung für das Gemeindeleben.

Pokall kündigte ferner an, dass ein Wahlpflichtbereich bei einem erfolgreichen Abschluss von Volksbegehren und Volksentscheid frühestens zum Schuljahr 2010/11 eingerichtet würde, möglicherweise auch erst später. «Es ist davon auszugehen, dass alle Seiten gegebenenfalls an einem reibungslosen Übergang interessiert sind und Übergangslösungen geschaffen werden können.»