Primas Glemp verteidigt bei Gottesdienst zurückgetretenen Wielgus - Polen tief gespalten zwischen Mitleid und Unmut

"Wir wollen solche Gerichte nicht!"

Der polnische Primas Kardinal Jozef Glemp hat den zurückgetretenen Warschauer Erzbischof Stanislaw Wielgus in Schutz genommen. In seiner Predigt in der Warschauer Kathedrale sagte Glemp am Sonntag, die Vergangenheit sei auch eine Domäne Gottes. Zuvor hatte Wielgus in einem kurzem Satz förmlich den Verzicht auf sein Amt erklärt. Die anwesende Gemeinde reagierte gespalten.

 (DR)

Tiefe Spaltung der polnischen Kirche
Die Gläubigen klatschten entweder Beifall oder riefen "Nein, nein!" oder "Bleibe bei uns!". Wielgus beobachtete reglos die Szene, äußerte sich aber nicht weiter. Die Reaktionen der Gläubigen spiegeln eine tiefe Spaltung der polnischen Kirche über die umstrittene Ernennung wider.

Im Anschluss wurde die offizielle Mitteilung des Nuntius über den Rücktritt verlesen. Danach beruhigte sich die Stimmung. Kardinal Glemp konnte die Messe in Ruhe weiterleiten. Der Erzbischof wörtlich: "Heute wird über Erzbischof Wielgus ein Gericht gehalten. Was für ein Gericht ist das? Auf Grund von ein paar Papieren, die drei Mal kopiert wurden. Wir wollen solche Gerichte nicht!" Er wies darauf hin, dass es in dieser Angelegenheit keine Verteidiger und keine Zeugen gegeben habe, und fragte: "Wo sind heute jene, die damals Menschen erpressten und ihnen drohten?"

Anwesend in der Kathedrale war unter anderen auch Staatspräsident Lech Kaczynski. Mehrere Geistliche und Journalisten riefen inzwischen dazu auf, den tragisch gedemütigten Erzbischof nun in Ruhe zu lassen. Der ehemalige Oppositionelle, Pater Tadeusz Isakowicz-Zaleski aus Krakau, der sich unabhängig von seiner Erzdiözese mit der kommunistischen Vergangenheit beschäftigt, äußerte sich optimistisch. Er hofft nun auf einen positiven Umbruch innerhalb der Kirche, sagte Isakowicz-Zaleski dem Sender "TVN24".