DOMRADIO.DE: Zu Ihnen kommen Männer, die schon einen Beruf haben und nun ohne Abitur Priester werden wollen. Dazu wohnen sie bei Ihnen in Ihrem Haus. Wie sieht diese Ausbildung bei Ihnen in etwa aus?
Dr. theol. Volker Malburg (Regens des Studienhauses St. Lambert, überdiözesanes Seminar zur Priesterausbildung in Lantershofen): Zunächst einmal muss man sagen, dass die Ausbildung so aussieht, wie in jedem anderen Priesterseminar auch. Es gibt die theologischen Studien, die diese Kandidaten, obwohl sie kein Abitur haben, bei uns dann absolvieren.
Diese Studien richten sich nach dem, was auch an theologischen Fakultäten gelehrt wird. Viele unserer Dozenten haben auch einen Lehrstuhl, eine Professur an einer anderen theologischen Fakultät. Das Besondere bei uns ist nur, dass der Lernstoff sehr verdichtet ist, dass also die Inhalte in vier Jahren, in zwölf Trimestern, vermittelt werden.
Dann ist unser Priesterseminar natürlich auch wie jedes Priesterseminar ein Ort, an dem menschliche und geistliche Reifung stattfinden soll. Das geschieht durch den Besuch der Gottesdienste, durch geistliche Vorträge, durch Exerzitien, Einkehrtage und Studientagen zu wichtigen Themen der priesterlichen Lebensformen.
Also, so viel unterscheidet sich das im Ablauf nicht von einem anderen Priesterseminar, das nicht für Spätberufende ist. Das Besondere bei uns ist, dass die Studien doch so gestaltet sind, dass auch Männer, die schon länger im Beruf waren, die kein Abitur haben, Einstiegsmöglichkeiten bekommen, um sich dann in diesen theologischen Studien besser zurechtzufinden.
DOMRADIO.DE: Wie muss man sich denn bei Ihnen den typischen Kandidaten vorstellen?
Malburg: Den typischen Kandidaten gibt es eigentlich nicht. Die Zahlen sind mittlerweile auch bei uns so gering geworden, dass man sagen muss, jeder Kandidat ist zunächst ein Einzelfall. Es gibt natürlich schon ein paar Dinge, die für alle gelten.
Für die letzten Jahren kann man sagen, dass Kandidaten doch ein festeres Bild von dem haben, wie Kirche sein soll und wie sie sich ihren priesterlichen Dienst vorstellen. Das könnte man als konservativ bezeichnen, das trifft es aber nicht ganz. Ich würde es eher als entschieden bezeichnen und dass diese Männer, die Priester werden wollen, auch eine gewisse Sicherheit suchen in den vielen Transformationsprozessen unserer Kirche und unserer Gesellschaft und dann auch ein sehr entschiedenes Bild davon haben, was für sie priesterliches Leben und Priestersein bedeutet. Ansonsten kann man sagen, sind die Kandidaten so bunt, wie es auch die Gesellschaft ist.
DOMRADIO.DE: Und wie sieht das aus, wenn jemand bei Ihnen vorstellig wird und sagt, er möchte Priester werden? Was sind die ersten Schritte? Gibt es eine Art Auswahlkriterien?
Malburg: Man kann sich nicht direkt in Lantershofen als Priesteramtskandidat bewerben. Sie müssen zunächst entweder in einem Bistum als Priesteramtskandidat oder in einer Ordensgemeinschaft aufgenommen sein und dann meldet sich der entsprechende Heimatregens und sagt, man habe einen Kandidaten für Lantershofen. Da ist also schon eine entscheidende Vorauswahl getroffen.
Wir bekommen also die, über die ein Regens schon gesagt hat, dass er sich vorstellen kann, dass der Kandidat ein Studium in Lantershofen beginnt. Dann durchlaufen die in der Regel das Propädeutikum, also das Vorbereitungsjahr wie jeder andere Kandidat, der im Heimatseminar und an der Theologischen Fakultät studiert. Die haben in diesem Vorbereitungsjahr auch eine Woche, wo sie sich hier in Lantershofen aufhalten und die Kommunität kennenlernen, das Studium kennenlernen und wir auch mit denen Gespräche führen.
Durch die Vorauswahl des Heimatregens und durch das Propädeutikum hat sich da meistens schon so viel geklärt, dass wir die, die hierher kommen wollen, dann auch in der Regel aufnehmen.
DOMRADIO.DE: Man nennt Priesteramtskandidaten, die nach einer Berufsausbildung und möglicherweise einigen Jahren im zivilen Beruf tätig waren, oft "spätberufen". Hat sich denn das Profil der Kandidaten der vergangenen Jahre verändert, sind sie zum Beispiel eher jünger oder älter geworden, denn "spätberufen" ist ja ein sehr weiter Begriff.
Malburg: Das ist ein ganz weiter Begriff. Das ist auch in unserer Kommunität so. Wir haben Kandidaten, die sind Mitte 20 und wir haben Kandidaten, die sind Mitte 50. In dieser Spannbreite bewegt sich das bei uns. Man kann gar nicht sagen, es kommen jetzt nur die Älteren oder es kommen jetzt nur Jüngeren. Aber eine Tendenz ist, dass die Jüngeren wirklich relativ früh kommen, also dass die ihre Ausbildung fertig haben und dann den nächsten Schritt tun und hier ins Priesterseminar kommen, ohne noch eine längere Zeit im Beruf gearbeitet zu haben.
Man kann durchaus eine Tendenz feststellen, dass ein Drittel 25 Jahre alt ist, was wir als Untergrenze haben. Das macht natürlich die Bandbreite nochmals größer. Denn wenn die Kandidaten alle etwa Mitte 30 und älter sind, ist das eine andere Stimmung, als wenn hier auch 25-Jährige zusammen mit 55-Jährigen studieren. Aber das klappt verhältnismäßig gut, weil man doch merkt, dass alle ein Ziel haben. Sie wollen nämlich Priester werden.
DOMRADIO.DE: Früher gab es auch bei den Kandidaten eine starke volkskirchliche Prägung. Wie stellen sich die Spätberufenen im Schnitt jetzt die Zukunft ihrer Priestertätigkeit vor? Steht die klassische Pfarreienarbeit im Fokus oder worauf legen sie ihren Schwerpunkt?
Malburg: Natürlich kommen die Kandidaten zum Teil auch aus volkskirchlichen Milieus, auch wenn das immer weniger wird. Bei uns in Lantershofen ist bei den Kandidaten auch das Element der Bekehrung sehr wichtig. Also sei es, dass sie als ältere Kandidaten in ihrem Lebensweg noch mal neu zum Glauben gefunden haben, sei es, dass sie konvertiert sind, also von evangelischem zu katholischem Glauben gewechselt sind. Dieses Bekehrungselement ist bei unseren Kandidaten immer sehr stark in ihrer Biografie. Das führt dann auch zu einer Entschiedenheit, dass sie das Katholische auch leben und in ihrem Priestersein später auch verkünden wollen.
DOMRADIO.DE: Rund 20 Männer sind bei Ihnen aktuell in ihrem Seminar. Aber auch bei Ihnen sinken die Zahlen der Bewerber. Brechen eigentlich Spätberufe seltener ab als in den anderen Seminaren?
Malburg: Ich habe den Eindruck, dass die, die später kommen, dann auch mehr dabei bleiben. Wir haben eine sehr geringe Abbrecherquote. Von denen, die nicht Priester werden, sind das höchstens ein Drittel oder 20 Prozent. Also 70 bis 80 Prozent gehen dann von hier aus auch in den Pastoralkurs und werden anschließend Priester. Das ist eine bessere Quote als in anderen Seminaren. Das hängt aber vielleicht auch damit zusammen, dass wenn ich mich mit 40 oder 50 Jahren für diesen Weg entscheide, ich mir das auch ganz genau überlegt habe.
DOMRADIO.DE: Dennoch ist es so, dass bei Ihnen die Zahlen der Bewerber sinken. Was müsste denn passieren, dass sich zum einen mehr Männer für den Priesterberuf interessieren, beziehungsweise die Kandidaten nicht aufgeben, dabei bleiben und auch zum Beispiel nach der Priesterweihe weiterhin gut begleitet werden?
Malburg: Ich glaube, zunächst braucht es eine Klärung, was die Aufgabe des Priesters in der heutigen Kirche ist. Also, wie soll das Priesterbild gestaltet werden? Da sind wir in einem ganz großen Umbruch: sei es durch die Pfarrstrukturen, die immer größer und unübersichtlicher werden, bei denen man das Gefühl hat, dass Managerqualitäten manchmal mehr verlangt sind als Qualitäten der Seelsorge; sei es die Fragen nach Synodalität in der Kirche und welche Aufgabe in diesem Zusammenhang der Priester hat. Muss er alles bestimmen oder inwieweit muss er auch in den synodalen Gremien mitarbeiten und den Rat der anderen Christen einholen?
Das sind alles Fragen, die das Priesterbild sehr diffus erscheinen lassen. Ich glaube, da braucht es nochmal eine Klärung und auch ein Wort der Bischöfe. Wir brauchen Priester, wir brauchen die, die sich in den Dienst nehmen lassen, gerade für die Verkündigung des Evangeliums und für die Spendung der Sakramente.
Da braucht es auch Bestärkung von Seiten der Bischöfe, aber auch von der Gemeinde, wenn jemand diesen Weg gehen will. Man kann niemanden drängen und man sollte auch keinen manipulieren. Aber mit Männern, bei denen man das Gefühl hat, die könnten Priester werden, kann man das auch mal ansprechen. Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe von Pfarrern, von der Gemeinde, auch von Bischöfen.
Priester zu werden als ein gutes, positives und wertvolles Anliegen darzustellen, ist ganz wichtig, damit heute junge Männer oder Männer überhaupt Priester werden. Denn die brauchen heute mehr Ermutigung und Bestätigung, als es vielleicht noch vor 20 Jahren der Fall war.
Das Interview führte Mathias Peter.