Pressereferentin berichtet von Sternsingeraktion

Die Sternsinger sind unterwegs

Die „Sternsinger“-Aktion bringt über 40 Millionen Euro für Kinder weltweit. Wie ist die Aktion entstanden, wem wird damit geholfen und was ist das Kindermissionswerk? Und was hat der Fall Winfried Pilz damit zu tun?

Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Aussendungsfeier der Sternsinger im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Himmelklar: Die "Sternsinger"-Aktion ist die größte Sozialaktion von Kindern für Kinder. Für alle, die die Sternsinger oder die Arbeit vom Kindermissionswerk in Aachen nicht kennen: Was stellt dieses Kinderhilfswerk der katholischen Kirche seit 1959 auf die Beine?

Urte Podszuweit, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" / © privat
Urte Podszuweit, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" / © privat

Urte Podszuweit (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kindermissionswerks "Die Sternsinger"): Das ist für mich eigentlich ein kleines Wunder in der heutigen Zeit. Es sind so viele hunderttausend Kinder beteiligt, es sind so viele junge Erwachsene und Erwachsene beteiligt, die diese Aktion tragen. Die machen das alle ehrenamtlich. Gerade an den Weihnachtstagen und um Weihnachten herum sind viele als Sternsinger unterwegs – und dann im neuen Jahr. Das Wetter ist manchmal schlecht. Viele machen in dieser Zeit sonst Urlaub und gehen beispielsweise in den Skiurlaub.

Dann gibt es die Kinder, die von Haustür zu Haustür ziehen und sich für andere Kinder einsetzen – oft genug im Regen und nicht im Schnee. Für mich ist das wirklich ein aktuelles Wunder. Ich sage das immer wieder: Ich bin schwer begeistert vom Engagement rund um diese Aktion.

Himmelklar: Die Spendenbereitschaft von den Deutschen nimmt mal zu und mal ab. Schwanken die Spenden für die "Sternsinger"-Aktion über all die Jahre?

Podszuweit: Es ist fast immer konstant ein bisschen besser und ein bisschen mehr geworden. Ich nehme da die Corona-Zeit jetzt mal raus. Die hat uns aber auch neue Wege erschlossen, das muss man fairerweise auch mal sagen.

Was uns aber besonders wichtig ist, ist einfach dieser Kontakt an der Haustür. Wir hören das immer wieder von den Menschen. Ältere Herrschaften sagen, das sei das einzige Mal im Jahr, wo Kirche an ihre Tür komme. Andere sagen, das sei so toll, wenn man die Kinder vor sich hat und das Leuchten in den Augen sieht. Irgendwie ist es ein Austausch von Leuchten, habe ich immer das Gefühl. Es ist einfach bewegend und toll, dass das funktioniert.

Urte Podszuweit

"Erst recht, wenn Kinder sich einsetzen, dann ist es ein dickes Pfund."

Ich habe aber auch das Gefühl, je schlechter die Lage in der Welt ist, also je mehr man hört vom Elend anderer Menschen – aktuell brauchen wir ja nur die Nachrichten anzumachen – desto mehr wird den Deutschen auch bewusst, wie gut sie es haben. Dann ist die Bereitschaft auch da, zu sagen: Ich helfe den anderen, denen es nicht so gut geht. Erst recht, wenn Kinder sich einsetzen, dann ist es ein dickes Pfund.

Himmelklar: Als Pressereferentin tragen Sie dieses tolle Engagement von so vielen Kindern und jungen Menschen in Deutschland nach außen und zeigen, was sie alles rund um die Sternsinger-Aktion und als kleine Könige verkleidet machen. Inzwischen gucken Sie in dieser Funktion auf 13 Jahre zurück, in denen Sie für die Aktion Jahr für Jahr tätig sind und sie begleitet haben. Sie haben Präsidenten kommen und gehen sehen. Aktuell ist es Pfarrer Dirk Bingener. Was verändert sich und was bleibt gleich?

Podszuweit: Natürlich verändert sich viel und es bleibt auch viel gleich. Man verändert sich natürlich auch selbst. Ich bin ja jetzt eine ganz andere Person im Vergleich zu 2010, als ich angefangen habe. Natürlich bringt jeder Präsident eine eigene Färbung mit rein. Das ist auch klar. Letztendlich bleibt aber das Werk im Mittelpunkt bestehen.

Wir haben auch viele Kolleginnen und Kollegen, die natürlich mal wechseln. Dann gibt es beispielsweise mal einen anderen Länder-Referenten für Brasilien. Letztendlich geht aber natürlich die Spur vom Kindermissionswerk geradeaus. All das sind Sachen, die Neuerungen bieten, die aber auch Chancen bieten. Mit jedem Wechsel gibt es auch eine Chance, etwas neuer oder anders zu gestalten.

Urte Podszuweit

"Ich habe 2010 angefangen und habe jetzt vier Bundespräsidenten kennenlernen dürfen, aber nur zwei Kanzler."

Die Zeit ist natürlich auch die, die sich ändert. Vor zehn Jahren waren die Sozialen Medien bei weitem noch nicht so, wie sie jetzt bei unseren Onlinekollegen wichtig sind. Als Sie sagten, ich habe Präsidenten kommen und gehen sehen, habe ich zunächst an Bundespräsidenten gedacht. Das ist wirklich lustig: Ich habe 2010 angefangen und habe jetzt vier Bundespräsidenten kennenlernen dürfen, aber nur zwei Kanzler. Auch da ist es also eine lustige Entwicklung.

Himmelklar: … weil die Sternsinger jedes Mal zu Besuch zu den Bundespräsidenten kommen. Ich meinte allerdings die Präsidenten des Kindermissionswerks. Welche Rolle spielt Ihr persönlicher Glaube für Ihre Arbeit?

Podszuweit: Ich glaube, mein persönlicher Glaube trägt mich in jeder Situation meines Lebens. Der hat mit meiner Arbeit gar nicht so viel zu tun. Das bin ich. Den trage ich im Privaten und den trage ich aber auch im Beruf. Ich glaube, das ist einfach so: Ich bin das. Von daher kann ich auch nur so sein.

Himmelklar: Das tragen Sie manchmal tatsächlich auch nach außen. Was Sie so glauben beziehungsweise was Sie trägt, das hört man manchmal im Radio …

Podszuweit: Ja, genau, einerseits gebe ich fürs Kindermissionswerk in verschiedensten Zeiten Interviews. Deshalb ist diese Rolle für mich heute auch ein bisschen ungewohnt. Ich bin sonst diejenige, die auch fragt.

Ich bin Autorin beim WDR, also Kirche in WDR 2 und WDR 4. Da darf ich mal so einen Verkündigungsgedanken morgens nach Nordrhein-Westfalen werfen. Das ist sehr vielfältig, was die Kolleginnen und Kollegen da machen. Es macht Spaß. Das ist ein guter Kreis der Autorinnen und Autoren.

Himmelklar: Würden Sie sagen, dass Ihre Arbeit, die Sie beim Kindermissionswerk machen, auch Berufung für Sie ist?

Urte Podszuweit

"Ich bin ganz schnell in diese Projektarbeit reingerutscht, durfte reisen und war wirklich vom tiefsten Herzen aus bewegt, was Menschen in der Welt leisten im Namen von Kirche."

Podszuweit: Ja, das finde ich schon. Vor allen Dingen, wenn man sich überlegt, wie ich da eigentlich hingekommen bin, nämlich über’s Babysitten. Irgendwie begleitet mich das immer.

Ich habe den Kontakt zum Radio damals durch’s Babysitten über den Vater gefunden und bin dann ans Bistum gekommen. Die hatten in Aachen ein Rundfunkreferat. Darüber habe ich diesen Kontakt zum Radio gefunden – und dann natürlich zu den Hilfswerken. Wir haben in Aachen ja drei, Missio, Misereor und das Kindermissionswerk. Da bin ich eigentlich immer als freie Journalistin aktiv gewesen. So habe ich dann den Weg zum Kindermissionswerk gefunden.

Ich bin ganz schnell in diese Projektarbeit reingerutscht, durfte reisen und war wirklich vom tiefsten Herzen aus bewegt, was Menschen in der Welt leisten im Namen von Kirche. Das ist, glaube ich, das, was mich auch neben dem Sternsingen und dem Engagement hier in Deutschland immer noch sehr beeindruckt.

Himmelklar: Ein schwerwiegendes Thema, das das Kindermissionswerk begleitet hat und auch durch die Medien gegangen ist: Pfarrer Winfried Pilz war von 2000 bis 2010 Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger". Für viele war er ein Vorbild im Glauben und ein Mensch, der innerhalb der Kirche junge Menschen begeistert und viele Jugendliche mitgezogen hat. Nach seinem Tod im Jahr 2019 kam jetzt aber ans Licht, dass er in den 1970er-Jahren einen jungen Mann sexuell missbraucht hat. Welche Folgen hat das für Ihre Arbeit und für das Kindermissionswerk?

Podszuweit: Das war für uns ein riesen Schock. Ein wirklich riesiger Schock, weil Pfarrer Pilz auch ein sehr eloquenter und nach außen gewandter Mensch war. Ich möchte an der Stelle auch eigentlich nur für mich sprechen. All das, was wir als Haus kommuniziert haben, hat man in den Medien, in jeder Pressemitteilung lesen können.

Urte Podszuweit

"Es ist aber eigentlich das gleiche Prinzip wie mit allen Missbrauchstätern: Man hebt sie in den Mittelpunkt, indem man über ihre Taten spricht und guckt gar nicht mehr auf die, die gelitten haben."

Er hat mich noch eingestellt im Jahr 2010, ist dann aber im März in Ruhestand gegangen. Ich habe ihn als freie Journalistin öfter vor dem Mikrofon gehabt und habe mich jedes Mal auf diese Termine gefreut, weil er einfach gut reden konnte. Er hatte eine tolle Stimme. Er hat wirklich sein Herz auf der Zunge getragen. Man hat ihm alles geglaubt, was er gesagt hat in seinem ganzen Engagement, in seinem ganzen Tun. Ich habe ihn als sehr sympathischen Menschen in Erinnerung. Umso mehr hat es mich umgehauen, das sage ich ganz ehrlich, ich hätte das nicht erwartet gehabt. Was mich am meisten an dieser ganzen Diskussion eigentlich stört, ist, dass man immer über ihn redet und nicht über den Betroffenen.

Jetzt kannte ich den Betroffenen nicht und ich kann nicht über ihn reden. Es ist aber eigentlich das gleiche Prinzip wie mit allen Missbrauchstätern: Man hebt sie in den Mittelpunkt, indem man über ihre Taten spricht und guckt gar nicht mehr auf die, die gelitten haben. Aber es ist jetzt, wie es ist. Es ist schwer, wenn man von einem Menschen ein Bild im Kopf hat, das eigentlich viele Jahre gut existiert hat. Und dann erfährt man Sachen, wo man sagt: Das kann ich mir fast nicht vorstellen. Sie sind aber belegt. Und es hat mich wirklich persönlich getroffen. Für viele Kolleginnen und Kollegen war es aber noch härter, weil sie ihn einfach noch viel länger gekannt haben. Das ist immer noch eine sehr schwere Zeit für uns.

Urte Podszuweit

"Das Kindermissionswerk hat an der Stelle, sobald es es wusste, gehandelt. Wir haben intern viel Aufklärungsarbeit gemacht."

Himmelklar: Haben Sie auch einen Vertrauensbruch gemerkt gegenüber dem Kindermissionswerk oder einen Vertrauensverlust innerhalb der Sternsinger-Arbeit?

Podszuweit: Ganz ehrlich gesagt: Nein, überhaupt nicht. Das Kindermissionswerk hat an der Stelle, sobald es es wusste, gehandelt. Wir haben intern viel Aufklärungsarbeit gemacht. Wir haben eine Untersuchung angestrengt. Es wurde kommuniziert, es wurde auf dem Laufenden gehalten. Also nein, habe ich nicht.

Ich habe manchmal ein bisschen Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche als solches in diesem Punkt. Da gibt es auch Repräsentanten, wo ich mir jetzt Fragen stelle – also man weiß es ja nicht. Und was alles aufploppt, egal wo in der Bundesrepublik, das stößt mich ab. Das finde ich einfach total widerlich. 

Und in diesem Duktus: "Du bist in Kirche gut aufgehoben" und "das ist ein Schutzraum" und "ich bin für dich da" – das sind solche Sachen, die kann ich nicht mehr gut glauben. Das hat aber mit den Sternsingern in dem Sinne nichts zu tun. Wir müssen nur genauer hinschauen. Wir müssen uns neue Instrumente ausdenken, wie wir so etwas schneller aufdecken können. Noch viel besser ist es aber, wenn man präventiv tätig sein kann, um es zu verhindern.

Himmelklar: Was sind die aktuellen Vorhaben der Aktion Dreikönigssingen? Gucken wir in Richtung der aktuellen Lage, was Katastrophen und Kriege in der Welt angeht.

Urte Podszuweit

"Wir müssen natürlich auch relativ spontan auf größere Katastrophen reagieren: das große Hochwasser in Somalia, die absolute Dürre in Tansania."

Podszuweit: Da kommt fast jeden Monat was Neues rein. Wir müssen natürlich auch relativ spontan auf größere Katastrophen reagieren: das große Hochwasser in Somalia, die absolute Dürre in Tansania. Wer weiß, wo das alles hingeht. Das wird unser täglicher Begleiter sein. Wir sind da auch immer ganz eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Auslandsabteilung verbunden.

Kriege habe ich noch gar nicht erwähnt. Wir wissen aktuell von zwei bewaffneten Konflikten, die uns im Moment in Atem halten. Da zu sagen, wo es eigentlich hingehen soll, ist schwierig. Wir möchten gerne weltweit möglichst viele Kinder in die Schule schicken. Wir möchten für möglichst viele Kinder eine gute gesundheitliche Basis schaffen. Das fängt bei Ernährungsprogrammen an. Es ist aber auch wichtig, schwangere Mütter zu begleiten. Das sind unsere Hauptschwerpunkte.

Das Thema Kinderarbeit wird uns weiterhin begleiten. – Je mehr es an Katastrophen in der Welt gibt und je mehr Kriege ausbrechen, desto höher wird wieder die Kinderarbeit werden. Die war eigentlich auf einem ganz guten Weg, aber die Zahlen sind jetzt in die andere Richtung explodiert. Das sind alles Sachen, die uns weiter begleiten werden. Und wir hoffen, dass wir den Mut nicht verlieren.

Das Gespräch führte Katharina Geiger.

Herkunft des "Blackfacing" bei den Sternsingern

Seit dem Mittelalter gibt es künstlerische Darstellungen, die einen der Heiligen Drei Könige mit schwarzer Hautfarbe zeigen. Die Könige standen für die damals in Europa bekannten Erdteile Europa, Afrika und Asien. Zugleich sollte symbolisch deutlich werden: Gott ist für alle Menschen Mensch geworden. Unabhängig von ihrer Herkunft bringen die Weisen aus dem Morgenland dem Jesuskind ihre Gaben dar. In unserer pluralen Gesellschaft leben jedoch seit Generationen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe zusammen.

Sternsinger in Kempten (Die Sternsinger)
Quelle:
DR