Prager Kardinal warnt vor Entwicklung wie nach 1. Weltkrieg

"Rehabilitierung Mittel- und Osteuropas"

Der tschechische Kardinal Dominik Duka sieht im russischen Angriffskrieg in der Ukraine den Beginn einer neuen geopolitischen Ära. Skeptisch äußerte er sich über pazifistische Positionen der Friedensbewegung.

Deutsche Kriegsgefangene im ersten Weltkrieg (dpa)
Deutsche Kriegsgefangene im ersten Weltkrieg / ( dpa )

Der tschechische Kardinal Dominik Duka sieht im russischen Angriffskrieg in der Ukraine den Beginn einer neuen geopolitischen Ära. Sowohl die "bipolare" als auch die "unilaterale Welt" seien abgetreten und ganz Osteuropa "gleichsam ins 18. Jahrhundert zurückgekehrt", sagte der Prager Erzbischof in einem langen Interview der Zeitung "Lidove noviny" am Wochenende. Skeptisch äußerte er sich über pazifistische Positionen der Friedensbewegung, die einem Aggressor sein Handeln in gewissem Ausmaß erst ermöglichten.

Zeigt sich volksnah: Kardinal Dominik Duka (l.) / © Paul Haring (KNA)
Zeigt sich volksnah: Kardinal Dominik Duka (l.) / © Paul Haring ( KNA )

Mit Blick auf die geopolitische Lage und den Ukraine-Krieg warnte Duka vor einer Entwicklung wie nach dem Ersten Weltkrieg. Damals habe Unruhe geherrscht, "weil ein Großteil der Länder mit der neuen Lage unzufrieden war, die der Krieg auf der Europakarte gezeichnet hatte".

Im Ringen zwischen Russland und dem Westen sind aus Sicht des Kardinals nun auch in der jüngeren Vergangenheit "einige Schritte auf beiden Seiten nicht ganz ordentlich gesetzt worden". Die jetzige "Lösung" durch Russlands Präsident Wladimir Putin sei freilich "schlecht", eine "solche Art von Krieg nicht zu rechtfertigen", betonte der böhmische Primas. "Seien wir ehrlich", meinte Duka: "So ähnlich hat der Zweite Weltkrieg begonnen"; in Berlin wie in Moskau habe man "die eigenen Interessen verteidigt".

Pazifismus löst keine Kriege

"Wir sind damit aufgewachsen, dass Krieg überflüssig" ist, so der Kardinal weiter; und auch der Ruf von Papst Franziskus nach Abrüstung und Beseitigung von Atomwaffen sei berechtigt. Pazifismus aber werde den gegenwärtigen Krieg nicht lösen, zeigte sich Duka überzeugt. Frankreich beispielsweise habe "von Hitler so rasch überrannt werden können, weil es total unvorbereitet war". Das sei auch heute zu bedenken. Europa könne sich "nicht von den USA trennen".

Für US-Präsident Joe Biden fand der Kardinal lobende Worte. Zu Recht habe dieser jüngst seine Rede in Warschau mit den Worten Johannes Pauls II. "Habt keine Angst" eingeleitet. Angst sei ein schlechter Ratgeber; man gebe "nach, wo man nicht nachgeben dürfte", und erliege völlig "destruktiven Emotionen", befindet Duka. Im Übrigen eröffnet sich aus Sicht des Kardinals derzeit auch ein "Raum für eine große Rehabilitierung Mittel- und Osteuropas". Der gefallene Eiserne Vorhang wirke nämlich nach wie vor "mental in den Köpfen vieler Politiker in Westeuropa weiter fort, die Europa in Ost und West aufteilen".

Mit Blick auf die vom Ukraine-Krieg ausgelösten Flüchtlingsbewegungen rät Duka zu "einem gewissen Pragmatismus". Was man den Flüchtlingen heute gebe, gäben sie später zurück. Der Kardinal zog zudem einen Vergleich zum Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg: Dieser sei "nicht nur ein Gewinn für Deutschland und Westeuropa gewesen, sondern auch ein Impuls für die Entwicklung der amerikanischen Industrie und des Handels".

Bund und Länder beraten über Hilfen für ukrainische Kriegsflüchtlinge

Die Ministerpräsidenten beraten am 7. April mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wie die Kosten für die Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge aufgeteilt werden sollen. Außerdem soll es bei dem Bund-Länder-Treffen darum gehen, wie die Registrierung und Verteilung der ankommenden Ukrainer auf die Länder und Kommunen am besten organisiert werden kann.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M), Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, bei Bund-Länder-Beratung zu Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. / © Hannibal Hanschke (dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M), Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, bei Bund-Länder-Beratung zu Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. / © Hannibal Hanschke ( dpa )
Quelle:
KNA