Präses Schneider pocht auf Erstbesuch in Afghanistan

Ein Machtwort und Reisepläne

Es bedurfte gar nicht erst der Absage Margot Käßmanns, nicht nach Afghanistan fahren zu werden. Schon vorher machte der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Präses Nikolaus Schneider, deutlich: Er macht sich als Erster auf in die Kriegsregion. Der Termin steht schon fest.

 (DR)

"Nichts ist gut in Afghanistan!" Mit diesem Satz aus ihrer Neujahrspredigt 2010 in der Dresdner Frauenkirche machte die damalige Bischöfin Margot Käßmann vor einem Jahr Schlagzeilen. Wegen einer Alkoholfahrt längst als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Landesbischöfin zurückgetreten, wurde sie dennoch von der CSU zu deren traditioneller Winterklausur in Wildbad Kreuth eingeladen - und von Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) erneut zu einem Treffen mit Bundeswehrsoldaten am Hindukusch, als wäre sie immer noch die Repräsentantin des deutschen Protestantismus.



Nach außen gab sich ihr EKD-Nachfolger, Präses Nikolaus Schneider, ganz gelassen, doch seine Intervention am Montag war ein klares Machtwort: Nicht Margot Käßmann, sondern er werde als Erster nach Afghanistan reisen, erklärte er am Rande der rheinischen Landessynode im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr. Und zwar ohne Minister, dafür mit dem evangelischen Militärbischof Martin Dutzmann. Das sei, so Schneider, mit Käßmann abgesprochen. Nach ihm könne die Vorgängerin, die "ohne Amt ist", nach Afghanistan fahren, wann sie wolle. Einen Tag später, an diesem Dienstag nun, teilte Käßmann mit, sie habe ohnehin schon damals bei Guttenberg ganz auf den Truppenbesuch verzichtet, schließlich habe sie "weder Amt noch Mandat".



Eine gewisse Bitterkeit

Trotz dieses Rückzugs der prominenten Amtsvorgängerin war Schneider eine gewisse Bitterkeit anzumerken. Ansonsten trägt er es mit Fassung, dass seine Vorgängerin die Suche nach dem Scheinwerferlicht nicht lassen kann. Seine Reise, - die übrigens schon längst hätte stattfinden sollen, aber aus Sicherheitsgründen verschoben wurde -, bezeichnet Schneider als "Pastoralreise". Wichtig ist ihm vor allem, mit den Bundeswehrsoldaten im Einsatzgebiet ins Gespräch zu kommen und mit ihnen Gottesdienst zu feiern.



Vor der rheinischen Landessynode verwiest der Präses auf die "beunruhigende Gesamtsituation" in Afghanistan. Er begrüßte den "Fortschrittsbericht Afghanistan" der Bundesregierung. Schließlich hätten die Kirchen seit langem eine Evaluation der Lage am Hindukusch gefordert.



Soldaten, die aus Standorten im Gebiet der rheinischen Landeskirche in Afghanistan im Einsatz seien, würden auch von ihr seelsorgerlich begleitet. Dies ist aus seiner Sicht auch bitter notwendig: "Enttäuscht nehmen die Verwundeten wahr, dass etwa der tragische Unfall des jungen Wettkandidaten Samuel Koch ausführlich medial präsentiert und kommentiert wird, während ihre schweren Verletzungen den Zeitungen kaum eine Zeile wert sind." Die Soldaten wollten und sollten nicht zu Helden hochstilisiert werden. Sie erwarteten aber mit Recht mehr gesellschaftliches Interesse an ihrem Schicksal, so Schneider.



Termin steht fest - intern

Neben die militärischen Strategien in Afghanistan müssen nach Ansicht Schneiders stärker politische und entwicklungsfördernde Maßnahmen treten, der zivile Aufbau forciert werden. Wenn Ende Januar der Bundestag erneut über das künftige Afghanistan-Mandat entscheide, brauche es auch ein Mandat für diese Aufbauarbeit - und ein Szenario für den Abzug. Zugleich wies Schneider erneut auf den Grundsatz des Ökumenischen Rates von 1948 hin, wonach Krieg nicht dem Willen Gottes entspreche. Militärische Gewalt sei friedensethisch nur bei schwersten Menschenrechtsverletzungen und dem Zerfall der Rechtsordnung möglich. Ihr Einsatz zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen sei friedensethisch nicht zu rechtfertigen.



Ein Termin für die Afghanistan-Reise steht intern fest, wird aber aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht. Vorher wird Schneider noch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfangen und stattet dem Einsatzkommando in Potsdam einen Informationsbesuch ab. Innerhalb der evangelischen Kirche wächst derweil der Unmut über Margot Käßmann, von der man mehr Zurückhaltung in der Öffentlichkeit erwartet. Sein Pochen auf das "Erstflugrecht" an den Hindukusch dürfte Schneiders Position an der Spitze der evangelischen Kirche weiter gestärkt haben.