Pontifikalrequiem für emeritierten Papst Benedikt

"Mitarbeiter der Wahrheit zu sein, war seine Lebensaufgabe"

Im vollbesetzten Dom haben die Menschen Abschied von Benedikt XVI. genommen. Die meisten waren aus persönlicher Verbundenheit zu dem ehemaligen Papst gekommen, den Erzbischof Woelki als großen Theologen würdigte.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Pontifikalrequiem für Papst Benedikt XVI. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalrequiem für Papst Benedikt XVI. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dankbarkeit und Wertschätzung prägten den Trauergottesdienst für den am Silvestermorgen in Rom verstorbenen Papst aus Deutschland, zu dem Kardinal Woelki bereits in der Jahresschlussmesse alle Gläubigen des Erzbistums eingeladen hatte. Und zahlreich waren sie gekommen, darunter Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche, um in einer diözesanen Feier Abschied von einem der "bedeutendsten Theologen, ja, vielleicht sogar dem Kirchenvaters des 20. Jahrhunderts", wie es der Kölner Erzbischof in seiner Predigt formulierte, zu nehmen.

In der ersten Reihe saßen die beiden Oberbürgermeisterinnen von Köln und Bonn, Henriette Reker und Katja Dörner, sowie der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, und NRW-Ministerin Ina Scharrenbach – beide in Vertretung für den Ministerpräsidenten.

Bernd Schnettler, Teilnehmer am Requiem

"Für mich war der Weltjugendtag 2005 in Köln mit Papst Benedikt ein Schlüsselerlebnis. Wegen ihm bin ich wieder in die Kirche eingetreten."

Aber auch viele Menschen, in deren Biografie der Nachfolger auf dem Stuhl Petri eine wichtige Rolle gespielt hatte, zu denen sicher auch der eine oder andere Diözesanpriester  gehörte, wollten es sich nicht nehmen lassen, dieses Pontifikalrequiem im Kölner Dom mitzufeiern. "Für mich war der Weltjugendtag 2005 in Köln mit Papst Benedikt ein Schlüsselerlebnis. Wegen ihm bin ich wieder in die Kirche eingetreten", argumentiert etwa Bernd Schnettler, der aus Wachtberg mit seiner Frau Renate gekommen ist. "Was haben wir damals alles unternommen, um ihn auf dem Marienfeld zu erleben." Noch heute hat der 68-Jährige eine lebhafte Erinnerung an dieses kirchliche Großereignis. "Ich schätze ihn als hochgeistigen Lehrer, der viel in Bewegung gebracht hat", schwärmt er. Es sei ihnen ein Bedürfnis, nun persönlich an diesem Requiem teilzunehmen, "wenn wir schon nicht auf die Schnelle nach Rom reisen konnten".

Pontifikalrequiem für Papst Benedikt XVI. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pontifikalrequiem für Papst Benedikt XVI. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Maeread Frey ist mit ihrer Mutter Maureen aus Rheinbreitbach gekommen. Die gebürtige Irin möchte unbedingt diesen feierlichen Gottesdienst miterleben. "Als Katholikin ist mir wichtig, heute hier zu sein", betont die 49-Jährige und würdigt die außergewöhnliche Persönlichkeit Benedikts. Genauso wie Maria und Martin Kessen, deren Sohn Thomas zu den Domministranten gehört und denen dieser persönliche Abschied viel bedeutet. "Ein großartiger Papst und guter Hirte, der sein ganzes Leben der Gemeinschaft der Gläubigen gewidmet hat", formuliert es Martin Kessen. "Ein Leitstern in schwierigen Zeiten. Mit unserem Kommen wollen wir unsere Dankbarkeit zeigen", sagt der 51-Jährige. Und die zehnjährige Victoria aus Bad Honnef ist sich mit ihrer jüngeren Schwester Laetitia einig, dass sie vermutlich nie wieder einen Papst aus Deutschland erleben werden. So habe es ihnen ihre Mutter, die Theologin sei, erklärt. Demnach sei diese Messe schon etwas ganz Besonderes, finden die beiden Mädchen, die zwischen ihren Eltern in einer der vorderen Reihen sitzen.

Weihbischof Klaus Dick / © Beatrice Tomasetti (DR)
Weihbischof Klaus Dick / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dem Erzbistum Köln besonders verbunden gewesen

Bis auf den letzten Platz sind an diesem Mittag die Kirchenbänke besetzt. Aber auch in den Seitenschiffen stehen noch viele Messbesucher, die erst in allerletzter Minute gekommen sind. Die meisten tragen Trauerkleidung, und jeder hat seine eigene Geschichte mit Papst Benedikt. Das lässt sich unschwer erahnen. So erwähnt Kardinal Woelki eigens die noch bis zuletzt bestehende freundschaftliche Beziehung des emeritierten Kölner Weihbischofs Klaus Dick, der im Chorgestühl Platz genommen hat, zu dem ehemaligen Papst. Aber auch sonst sei Benedikt dem Erzbistum Köln besonders verbunden gewesen, betont er. So habe Joseph Ratzinger Anfang der 1960er Jahre Kardinal Josef Frings als theologischer Berater zum Zweiten Vatikanischen Konzil begleitet und einige Jahre an der Universität Bonn gelehrt. Außerdem erinnert Woelki daran, dass Benedikt wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst anlässlich des Kölner Weltjugendtages die Herzen der Jugendlichen mit ihren "Benedetto"-Rufen entgegengeschlagen seien.

Die alles entscheidende Frage mit "Ja" beantwortet

Kritik äußert er daran, dass sich in den vergangenen Tagen mancher berufen gesehen habe, wie er es ausdrückt, dass Pontifikat Benedikts theologisch, vor allem aber kirchenpolitisch einzuordnen bzw. zu beurteilen. "Nicht wenige folgten dabei den heute gängigen Mustern weltlicher und kirchlicher Kritik vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Sicht auf das, was die Kirche ist oder wie sie sein sollte oder ihrer Ansicht nach zu sein hätte." Dabei sei es damals Jesus bei der Einsetzung Petri nicht um die Frage nach seinem pastoralen Programm und schon gar nicht nach seinem kirchenpolitischen Kurs gegangen. "Er fragt nicht einmal danach, ob ihn die anderen Jünger oder das Volk Gottes wohl annehmen würden. Er fragt nicht nach deren Erwartungen und Forderungen an ihn." Alles entscheidend sei vielmehr die Frage: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?" Und diese Frage habe der emeritierte Papst für sich mit seinem gesamten priesterlichen und bischöflichen Leben sowie mit seinem wissenschaftlichen Werk konsequent und eindeutig mit einem bedingungslosen Ja beantwortet.

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Die Liebe zu Christus ist der Angelpunkt, um den sich in der Kirche alles drehen muss."

Neu zu lernen, auf Christus zu schauen – das habe Benedikt XVI. in den Mittelpunkt seines Pontifikates gestellt und damit auf eine der tiefsten Krisen in der heutigen Kirche aufmerksam gemacht: auf die Krise des Christusglaubens, stellt der Kardinal fest. "Zwar lassen sich auch heute noch Menschen und Christen von den menschlichen Dimensionen des Jesus von Nazareth berühren. Aber es bereitet ihnen das Bekenntnis, dass dieser Jesus der eingeborene Sohn Gottes ist, der als der von den Toten Auferstandene in der Person des Heiligen Geistes unter uns gegenwärtig ist, Schwierigkeiten und Mühe", äußert Woelki. Dabei stehe und falle mit diesem Bekenntnis der christliche Glaube. "Nur wenn unser Glaube wahr ist, dass Gott selbst Mensch geworden und Jesus Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist und so Anteil hat an der Gegenwart Gottes, die alle Zeiten umgreift, kann Jesus Christus nicht nur gestern, sondern auch heute unser wirklicher Zeitgenosse und das Licht unseres Lebens sein", betont er.

"Daran zu erinnern und diese Botschaft als die Mitte unseres Glaubens immer und immer wieder neu zu durchdenken, ins Wort zu bringen, sie intellektuell auf Augenhöhe mit den anderen Wissenschaften zu entfalten, sie vor allem aber gläubig als Priester und Bischof zu verkünden, dass macht das Wesen, die Persönlichkeit, das theologische Schaffen, die Berufung und Sendung Joseph Ratzingers aus." Die Erinnerung und das Lebendighalten dieser Mitte sei für ihn die einzig wahre Reform, die unsere Kirche heute nötig habe, gewesen. "Alle anderen Reformen müssen sich von dieser entscheidenden Reform her ergeben. Die Liebe zu Christus ist der Angelpunkt, um den sich in der Kirche alles drehen muss. Deshalb sah Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. seine Aufgabe auch vor allem darin, die Kirche im Glauben des Petrus zu erhalten und sie darin zu stärken." Dieses Zeugnis habe ihn als Theologen, Priester, Bischof und Papst ausgemacht. "’Mitarbeiter der Wahrheit zu sein’, und zwar in Liebe, war deshalb nicht bloß der Wahlspruch unseres emeritierten Papstes, sondern seine Lebensaufgabe, wie er sie verstand."

Der damailige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki und Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011 (KNA)
Der damailige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki und Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011 / ( KNA )

Für die gesunde Lehre eingetreten

Wahrheit und Liebe habe er stets zusammenzusehen versucht, so Woelki weiter in seiner Würdigung. "Denn Wahrheit ohne Liebe kann – wie wir nur zu gut wissen – brutal, verletzend, ja vernichtend sein. Wahrheit ohne Liebe ist blind. Aber Liebe ohne Wahrheit ist leer." Als Präfekt der Glaubenskongregation und auch später als Papst habe er es als seine Aufgabe betrachtet, "für die gesunde Lehre gelegen oder ungelegen einzutreten, sich stark zu machen für das uns von den Aposteln überlieferte kostbare Glaubensgut, das sich für ihn auch nicht einfach ersetzen ließ durch eine bloße Vielfalt von Theologien, von denen jeder seine eigene entsprechend seines persönlichen Geschmacks auswählen kann".

Abschließend dankt Woelki dem Verstorbenen für "manchen wertvollen Dienst zu seinen Lebzeiten" und verweist auf einen letzten solchen Dienst Papst Benedikts: "Er bringt uns nämlich noch einmal zum Nachdenken über unseren Glauben und über unser eigenes Leben, und das macht uns - hoffentlich - reifer und weiser."

Quelle:
DR