Politiker fordern Haftstrafen für Steuersünder - Sind die Daten aus Lichtenstein gerichtsfest?

Keine Deals?

In der Debatte um Konsequenzen aus der Affäre um Steuerhinterziehungen mehren sich Forderungen nach strengeren Strafen für Steuersünder. Bayerns Bundes- und Europaminister Markus Söder (CSU) warnte davor, gegen Steuerhinterzieher lediglich Geldstrafen zu verhängen. Zuvor hatten bereits andere Spitzenpolitiker von Union, SPD und Grünen eine Überprüfung des möglichen Strafmaßes bei Steuerhinterziehungen befürwortet. Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch kritisiert diese Forderungen und bezweifelt zudem die gerichtliche Verwertbarkeit der Daten aus Lichtenstein. Anwälte haben jetzt Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den BND gestellt.

 (DR)

Der Ex-Verfassungsrichter Jentsch lehnt dagegen Strafverschärfungen ab. "Es kann in diesem Lande passieren, was will, die Politik wird immer fordern, die Strafrahmen zu erhöhen. Das ist ein Höchstmaß an Einfallslosigkeit", sagte Jentsch.

Auch der innenpolitische Sprecher der Union und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, Hans-Peter Uhl (CSU), hält eine Erhöhung des Strafmaßes nicht für geboten. "Die vorhandenen Gesetze sind ausreichend, wenn die Gerichte sie konsequent anwenden." Im Fall des zurückgetretenen Post-Chefs Klaus Zumwinkel dürfe es nicht zu einem Deal kommen. "Das Strafmaß, das ja bis zu 10 Jahren Haft reicht, muss voll ausgeschöpft werden", sagte Uhl.

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kritisiert derweil die Debatte um Steuersünder als "heuchlerisch und unglaubwürdig". Die westlichen Staaten lassen sich "von multinationalen Konzernen und Finanzinvestoren erpressen und gegeneinander ausspielen. Vor allem veranstalten sie ein Trauerspiel, wenn es darum geht, die Steueroasen zu schließen, ohne die Klaus Zumwinkel und Kompagnie ihre Straftaten in dieser Form gar nicht hätten begehen können."

An diesem Punkt setzt auch Bundes- und Europaminister Markus Söder (CSU) an. Er sprach sich dafür aus, der Schweiz und Liechtenstein bei ihrem Wunsch, dem Schengen-Abkommen beizutreten, Bedingungen zu stellen. Ein solcher Beitritt sollte davon abhängig gemacht werden, dass entsprechende Transparenz und Zusammenarbeit auch in der Steuerfrage möglich sein müsse.

Gekaufte Beweise
Unterdessen ist ein Streit um die juristische Verwertbarkeit der vom Bundesnachrichtendienst (BND) erworbenen Informationen über die Steuerhinterzieher ausgebrochen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hält sie für juristisch verwertbar, aber allein nicht ausreichend. "Ich sehe rechtlich kein Problem", sagte er.

Der Ex-Verfassungsrichter Jentsch widersprach der Darstellung des Bundesfinanzministeriums, wonach die Daten problemlos als Beweismittel in Strafprozessen verwendet werden könnten. "Bei allem Respekt vor dem Sachverstand des Ministeriums bin ich mir da nicht so sicher", sagte Jentsch. Eine mögliche Verwertung sei keineswegs unproblematisch.

Auch die BND-Amtshilfe für die Steuerbehörden bewertet Jentsch kritisch. Das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden bestehe nicht ohne Grund: "Der BND ist nicht Teil der Strafverfolgungsbehörden."

Der Rechtsexperte der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, bezweifelt ebenfalls, dass die vom BND erworbenen Kontodaten für die Strafverfolgung genutzt werden dürfen. "Ich habe große Bedenken", sagte Neskovic. Der BND habe in einer rechtlichen Grauzone operiert.

Strafanzeige
Zwei Berliner Anwälte haben nach Informationen von "Welt Online" Strafanzeige gegen die Bundesregierung und den Bundesnachrichtendienst (BND) erstattet. Sie werfen der Bundesregierung und dem BND im Zusammenhang mit dem Steuerskandal Untreue und die Anstiftung zur Ausspähung von Daten vor.

Nach Ansicht der Juristen ist die DVD mit Daten zu etwa 1000 mutmaßlichen Steuersündern in Liechtenstein womöglich nicht strafrechtlich verwertbar. "Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein wohl einmaliger Vorgang, dass sich die Regierung mit einem Straftäter zusammentut, um über 1000 der eigenen Bürger verfolgen zu können", sagte der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach "Welt Online".

Zusammen mit einem Kollegen verfasste er die Klageschrift, die am Dienstagmorgen der Staatsanwaltschaft in Berlin übermittelt worden sei. "Ich denke, dass sehr gute Aussichten bestehen, dass zumindest das Bundesverfassungsgericht sagen wird, dass der Staat nie so handeln darf. Dann wäre die DVD wertlos", sagte Schirach.