Politiker diskutieren Initiativen für mehr Schutz

Kinderrechte ins Grundgesetz?

In den letzten Wochen haben zahlreiche Fälle von Kindesmisshandlungen die Politik aufgeschreckt. Am Mittwoch will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten über Möglichkeiten zum verstärkten Kinderschutz verständigen. Neben anderen Initiativen stehen verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz im Vordergrund.

 (DR)

"Wenn die Kinder einen Anspruch gegen den Staat hätten, sich um ihr Wohl zu kümmern, sei der Staat "mehr als bisher verpflichtet", so Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Verbindliche Einladung
Einige Länder sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben ab 2008 ein verbindliches Einladungswesen für die Vorsorgeuntersuchungen installiert. Zwar nähmen die meisten Eltern die Vorsorgeangebote für ihre Kinder in Anspruch. Allerdings würde die Teilnahme mit dem Alter der Kinder, besonders bei sozial benachteiligten Familien, sinken erläutert die rheinland-pfälzische Familienministerin Malu Dreyer. Meist sei Vergesslichkeit oder Uninformiertheit die Ursache, es könne aber auch ein Hinweis sein auf Vernachlässigung oder Misshandlung.

"Wir wollen, dass jedes Kind an den Vorsorgeuntersuchungen teilnimmt.", so die rheinland-pfälzische Staatskanzlei in einer Presseerklärung. Dazu müsse in den Ländern ein flächendeckendes System aus verbindlichem Einladeverfahren, kontrollierenden Rückmeldemechanismen und aufsuchender Sozialarbeit durch den öffentlichen Gesundheitsdienst oder das Jugendamt geschaffen werden. Auch die Vorsorgeuntersuchungen selbst, müssten verbessert werden.

Länder diskutieren Kinderschutz
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) warnte vor politischen Schnellschüssen bei Initiativen für mehr Kinderschutz. Zwar sei er nicht prinzipiell gegen die Aufnahme des Kindesschutzes in das Grundgesetz, sagte Müller am Montag in Berlin. Doch statt "symbolischer Akte" müsse es darum gehen, Kinder besser vor Misshandlungen und Verwahrlosungen zu schützen. Hier sollte es eine bundesweit verbindliche Regelung für Vorsorgeuntersuchungen geben.

Auch der Kinderschutzbund fordert zunächst eine bundesweite Erfassung aller Fälle von Kindstötungen oder Tötungsversuchen. Es müssten besonders die Hintergründe analysiert werden und eine Überprüfung der zuvor erfolgten Hilfe stattfinden, um die Schwachstellen der Versorgung besser analysieren zu können, forderte die baden-württembergische Landesvorsitzende Gabriele Betz.

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) zeigte sich offen für eine Verankerung von zusätzlichen Kinderrechten im Grundgesetz. Dies müsse aber sorgfältig überprüft werden. Wichtig sei, die faktische Situation von Kindern zu verbessern. Dazu zähle die gesetzliche Verpflichtung von Voruntersuchungen. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) warb dafür, den Kinderschutz ins Grundgesetz aufzunehmen.

Kinderrechte ins Grundgesetz?
Auch Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt hat sich für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ausgesprochen. "Ich plädiere für diese Kinderrechte, damit der Staat mehr als bisher seiner Aufgabe nachkommt, Familien tatsächlich und tatkräftig zu unterstützen", sagte Hohmann-Dennhardt der "Süddeutschen Zeitung". Wenn die Kinder einen Anspruch gegen den Staat hätten, sich um ihr Wohl zu kümmern, sei der Staat "mehr als bisher verpflichtet".

Kinder seien zwar bislang rechtlich auch über die Menschenwürde geschützt. "Aber sie brauchen besondere Rechte, weil sie sich noch nicht selbst helfen können und zu ihrer Entwicklung und Entfaltung der Hilfe und des Schutzes bedürfen - durch ihre Eltern und notfalls durch den Staat", sagte Hohmann-Dennhardt.

Die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung würde zudem die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterstreichen, sagte die seit 1999 amtierende Verfassungsrichterin, die im Ersten Senat für das Familienrecht zuständig ist. Bisher werde das Grundgesetz kinderfreundlich ausgelegt. "Das sollte abgesichert werden", betonte Hohmann-Dennhardt.