Pilgerexpertin erklärt den Hype um die Jakobsmuschel

"Mit Muschel bestatten lassen"

Für Pilger auf dem Jakobsweg ist die Muschel ein Markierungs- und Erkennungszeichen. Menschen ließen sich damit sogar beerdigen. Im vergangenen Urlaub hat die Pilgerexpertin Beate Steger rund 400 Jakobsmuscheln gesammelt.

Pilger auf dem Jakobsweg / © Gena Melendrez (shutterstock)
Pilger auf dem Jakobsweg / © Gena Melendrez ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wo haben Sie die Muscheln gefunden? Irgendwo auf dem Jakobsweg in Spanien?

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

Beate Steger (Pilgerexpertin und Pilgershop-Betreiberin): Nein, in der Bretagne. Da gibt es Ecken in denen Jakobsmuscheln eine große Rolle spielen. Dort werden richtige Feste gefeiert, Ende Oktober, Anfang November. Ich habe gelesen, dass die ihre Jakobsmuscheln zum Teil inzwischen aus Schottland importieren, weil es gar nicht mehr so viele gibt.

Normalerweise werden die dort gefangen, die darf man auch nur zu bestimmten Zeiten fischen. Dann gibt es ganz viele Muscheln. Ich habe am Cap Fréhel eine Stelle gefunden und dort lagen flache und gewölbte Jakobsmuschelschalen zu Hunderten, fast schon zu Tausenden im Wasser. Da ist es über mich gekommen, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu sammeln, weil ich die auch verkaufe. Ich habe einen Shop für Pilgerinnen und Pilger. Die Jakobsmuschel ist das Erkennungszeichen der Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela.

DOMRADIO.DE: Bohren Sie Löcher rein, damit man die umhängen oder an den Rucksack machen kann?

Steger: Genau, da mache ich Löcher rein und ein Juteband durch, um die Muschel zu befestigen. Ich habe vor kurzem wieder 200 Muscheln ans Bistum in Münster geliefert. Sie statten die Pilgerinnen und Pilger aus, die auf einem der deutschen Jakobswege vorbeikommen.

Früher war das so, dass man diese Muschel gar nicht auf dem Hinweg nach Santiago de Compostela getragen hat, sondern man hat die Muschel erst dort bekommen und sie auf dem Weg nach Hause getragen. Damit wollte man zeigen, dass man dort war und ein Jakobspilger ist.

In Santiago de Compostela gab es auch eine Straße, die extra danach benannt ist. Da sind Muschelverkäuferinnen und Muschelverkäufer, die den Pilgern, die dort waren, die Muschel verkauft haben. Oder man ist gleich nach Finistère weitergelaufen, zum Ende der Welt. Das haben viele gemacht. Dort konnte man mit viel Glück eine Muschel finden und sie dann mit nach Hause nehmen.

DOMRADIO.DE: Wie ist die Jakobsmuschel zum Symbol für den Jakobsweg geworden?

Heiliger Apostel Jakobus der Ältere / © Harald Oppitz (KNA)
Heiliger Apostel Jakobus der Ältere / © Harald Oppitz ( KNA )

Steger: Da gibt es ganz viele Legenden zu, auch rund um den Jakobus. Der Jakobus soll in Palästina enthauptet worden sein. Seine Jünger brachten seinen Leichnam zurück nach Spanien, weil er auf der iberischen Halbinsel angeblich vorher gepredigt hatte. Er soll versucht haben, das Christentum zu verbreiten.

Als sein Leichnam übers Meer gebracht wurde, ritt ein Ritter dem Schiff entgegen und versank in den Fluten. Man sagt, Jakobus hätte den Ritter gerettet. Als der wieder an die Oberfläche kam, wäre der über und über mit Jakobsmuscheln bedeckt gewesen. Aus diesem Grund ernannte man die Jakobsmuschel zum Symbol des Jakobswegs. Sogar Papst Benedikt hatte die Jakobsmuschel als Zeichen in seinem Wappen.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat die Muschel? Talisman, Glücksbringer, Wegweiser oder einfach ein Zeichen, dass man die Pilger erkennt?

Steger: Eigentlich alles, was Sie gerade genannt haben. Es ist auch eine Art Werkzeug. Man hat damit im Mittelalter Wasser geschöpft, mit dem gewölbten Teil der Muschel. Man nutzt es auch als Wegweiser. Es gibt die gelbe Muschel auf blauem Grund. Das ist mittlerweile auch in Deutschland so.

Früher hatten alle Jakobusgesellschaften ihre eigenen Zeichen für ihre Wege. Zwar immer eine Muschel, aber stilisiert in verschiedenen Formen und Farben. Mittlerweile ist es immer die gelbe Muschel auf blauem Grund. Der Knoten der Muschel symbolisiert Santiago, und die Strahlen der Muschel sind die unterschiedlichen Wege, die dort hinführen. Das heißt, wenn die richtig angebracht ist, ist sie auch ein Richtungsweiser. Außerdem ist es eine Art Glücksbringer und ein Fürsprecher im Jenseits.

Beate Steger

"Viele der zurückgekehrten Pilger haben sich mit der Muschel bestatten lassen."

Viele der zurückgekehrten Pilger haben sich mit der Muschel bestatten lassen. Man hat zum Beispiel in Esslingen in der Kirche Gräber gefunden, in der die Jakobsmuschel lag. Auf meiner Bretagne-Reise war ich vorher am Fuße der Pyrenäen auf der Via Tolosana. In der dortigen Basilika habe ich das auch gesehen. Da wurden Fragmente einer Jakobsmuschel in einem Grab gefunden. Das hatte für die Pilger eine enorme Bedeutung, dass vor dem Jüngsten Gericht Jakobus ein Fürsprecher für einen ist, damit man auf jeden Fall ins Paradies kommt.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat die Jakobsmuschel für Sie persönlich? Sie haben eine, die Sie schon länger mit sich herumtragen, wenn Sie pilgern.

Steger: Das ist richtig. Meine erste Jakobsmuschel habe ich 2007 im Pilgerbüro in Saint-Jean-Pied-de-Port bekommen, am Fuß der Pyrenäen, von wo aus ich den Camino Francés gelaufen bin. Ich war 2001 schon mit dem Fahrrad unterwegs und da wusste ich noch nichts von dem Jakobsweg. Da hatte ich noch keine Ahnung von Muscheln.

Beate Steger

"2007 habe ich dann diese Muschel bekommen und die begleitet mich noch immer. Das ist sozusagen eine richtige Investition fürs Leben."

2007 habe ich dann diese Muschel bekommen und die begleitet mich noch immer. Das ist sozusagen eine richtige Investition fürs Leben. Die sind sehr robust. Meine hat zwar schon ein paar Macken, aber wer hat die nicht. Insofern passt das natürlich zu mir. Wenn ich eine Jakobsmuschel sehe, wie dort in der Bretagne im Wasser, kann ich nicht an mich halten. Da muss ich einige mitnehmen.

DOMRADIO.DE: Tauschen Sie irgendwann Ihre von 2007 aus oder nehmen Sie vielleicht mal eine Reservemuschel mit in den Rucksack?

Steger: Ich habe tatsächlich auch ein paar sehr schöne von den flachen Muscheln gefunden. Die Jakobsmuschel besteht aus dem gewölbten und aus dem flachen Teil. Im Mittelalter hat man eher diese gewölbten Teile gehabt, zum Wasserschürfen und so, aber die flache ist sehr robust. Vor allem ist der flache Teil meistens sehr stark eingefärbt, von dunkelrot bis ins Bräunliche. 

Wenn die Leute bei mir Muscheln bestellen, sage ich immer, sie sollen sagen, welche Färbung sie wünschen. Ich schaue dann gerne, dass das einigermaßen passt.

Ich habe tatsächlich auch eine Reservemuschel. Eine kleine flache, die ist deutlich leichter als meine gewölbte. Wenn ich sehr auf das Gewicht achte, kommt eher die kleinere Muschel mit.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR