Rainer Maria Schießler wendet sich gegen eine romantisierende Sicht auf Weihnachten. "Weihnachten ist nicht zuerst ein Fest der Idylle, sondern ein Fest der Nähe Gottes zu den Verwundeten des Lebens", sagte Schießler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Das Fest stelle für Menschen in gesicherten Verhältnissen eine Herausforderung dar, so der Geistliche. "Dieses Fest will nicht nur trösten, es will aufrütteln, verändern, in Bewegung bringen." Christliche Hoffnung bedeute demnach, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Weihnachten durchbreche Leistungsansprüche
Die Bedeutung von Weihnachten sieht Schießler insbesondere in der Darstellung Gottes als verletzlichem Kind. "Gott macht sich klein, damit niemand zu klein sein muss, um von ihm gesehen zu werden." Die Erzählung durchbreche gewohnte Hierarchien und setze einen Kontrapunkt zu gesellschaftlichen Leistungsansprüchen.
Mit Blick auf die Kirche fordert Schießler, stärker auf Menschen in schwierigen Lebenslagen zuzugehen. "Ich wünsche mir gerade zu Weihnachten, dass wir alle in der Kirche gemeinsam anfangen, weniger um unser eigenes Image besorgt zu sein und uns mehr um die Menschen da draußen sorgen, die sich selbst längst abgeschrieben haben, die einfach irgendwie schon vergessen sind." Kirche müsse lernen, nicht zuerst auf die zu schauen, die sowieso kommen, sondern auf die, die keine Perspektive mehr für sich sehen, die weit weg sind - "von Hungernden im Sudan, den Kriegsgebieten auf der ganzen Erde bis hin zu den sozial Abgestürzten bei uns zuhause". Denn, Weihnachten sei kein "Hochfest der Perfekten", sondern ein "Schutzraum für die Zerbrochenen".
Sein persönlicher Zugang zum Fest sei durch frühe familiäre Erfahrungen geprägt, berichtete der Pfarrer. "An Heiligabend durfte alles weicher, offener und verletzlicher sein." Niemand habe sich für seine Menschlichkeit schämen müssen - "kniete man doch gemeinsam vor einem hilflosen Kind in einem Stall". Diese Ehrlichkeit habe ihn geprägt.