"Intelligence is the Ability to Adapt to Change". Diesen englischen Spruch vom Astrophysiker Stephen Hawking schmückt das T-Shirt des evangelischen Pfarrers Heiko Ehrhardt auf der Gamescom 2025. Der Spruch bedeutet auf Deutsch so viel wie "Intelligenz ist die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen" und ist ein beliebter Spruch in der Gaming-Szene.
Pfarrer Heiko Ehrhardt hat mit 28 Jahren angefangen zu spielen. In über 30 Jahren Gaming habe er viel Veränderung über die Jahre hinweg mitgenommen. Eine richtige Szene, wie das heute der Fall sei, habe es damals noch nicht gegeben. "Spiele sind nur ausgeliefert worden auf Disketten. Die hat man in den Computer gesteckt. Die meisten Computer hatten noch keine Festplatte." Man habe während des Spiels ständig die Diskette gewechselt. Die Auflösung sei "gruselig" gewesen, erinnert er sich.
Wenn Heldinnen Haut zeigen müssen
Damals habe es schon die Zeitschrift "GameStar" gegeben, erinnert sich der Pfarrer. Die gibt es heute noch immer. In den Anfangszeiten habe es eine Mitarbeiterin namens "Mortal Moni" gegeben, erzählt Pfarrer Heiko Ehrhardt. Ihre Kolumne hieß "Frauen spielen". Dass Frauen spielen, sei also so wenig selbstverständlich gewesen, dass es dafür aktiv eine Kolumne gebraucht habe. "Die Männer kriegen die Rüstungen und die Frauen kriegen die Strapsen", erzählt Ehrhardt über vergangene Zeiten. Das sei nicht fair gewesen. Leider seien diese Stereotypen aber noch nicht vollends überwunden. Das sei aber nicht nur in der Gaming-Szene ein Problem. Die Stereotype gebe es zum Beispiel auch in der Werbung. Bier im Supermarkt bewerbe man oft nicht mit einem Banner von einem Mann, der sich ein Bier aus der Kühltruhe nehme, sondern mit einer leicht bekleideten Frau, die das Bier in die Kühltruhe stelle. Das empört Heiko Ehrhardt: "Als ob Frauen kein Bier trinken würden!"
Cosplay-Power
In der Gaming-Szene scheinen die Darstellungen von Frauen heute dem realistischen Frauenbild oftmals ein wenig näher zu kommen. Lara Croft sei als studierte Archäologin und Wissenschaftlerin, die Schätze gesucht habe, durchweg eine weibliche Identifikationsfigur für Gamerinnen gewesen. Vor einigen Jahren sei sie im Gaming noch deutlich sexualisierter dargestellt worden.
Mittlerweile sei das aber besser als früher. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb heute die Anzahl von Männern und Frauen in der Community statistisch ausgeglichen ist. Manga und Anime werden sogar sehr stark von Mädchen und jungen Frauen getragen. Das habe seine Gründe, erklärt der Pfarrer: "Japan ist eine Kultur, in der ein anderes Männerbild vorherrscht."
Aber auch da gebe es Subgenres, die man im emanzipatorischen Sinne in Frage stellen könne. Zum Beispiel das Subgenre "Harem". "Ein Junge kommt in die Schule und wird dort von vielen Mädchen umschwärmt", sagt der Pfarrer. Es sei als Traum jedes Pubertierenden inszeniert. Heiko Ehrhardt findet das problematisch.
Viele Mädchen ziehen sich aber trotzdem Kraft aus Anime-Figuren und lieben es, sich zu verkleiden. Das nennt sich Cosplay. In verschiedenen Genres gibt es dabei Cosplay-Verkleidungen: Anime, Manga, Videospiele, Filme, Serien, Comics. "Sie stecken viel Geld, Zeit und Fantasie in ihre Kostüme. Für sie ist es sinnstiftend", erzählt der Pfarrer mit Bewunderung für das Engagement. Es sei eine hochinteressante Welt.
Eine neue Körpererfahrung
Und diese Welt scheint auf den zweiten Blick nicht mit der eines Pfarrers zu kollidieren, auch wenn das Zusammenspiel auf den ersten Blick ungewöhnlich wirken mag. Heiko Ehrhardt sieht das ganz anders: "Jeder hat Freizeit!" Das gelte natürlich auch für Geistliche.
Der Pfarrer erzählt, er habe einige Theologinnen und Theologen im Freundeskreis, die zumindest auf dem Handy Spiele spielen. Durch das Spielen auf dem Handy oder dem Computer könne man sich in eine andere Welt flüchten, was gut sein mag. Trotzdem gebe es auch Momente im Leben, in denen Bewegung hilfreich sei. Das ist dem Pfarrer ganz besonders durch seine Arbeit in der Jugendhilfe klar geworden.
So würde zum Beispiel nach einem Missbrauch bei vielen Menschen das Körpergefühl aus dem Gleichgewicht geraten. Dort gebe es Therapieverfahren, um dieses Körpergefühl mit einer realen Körpererfahrung wiederherzustellen. "Gaming mit realer Körpererfahrung wird wahrscheinlich in absehbarer Zeit auch da sein."
Mittlerweile gibt es schon Metaversen. Das sind digitale Welten, in die man mit einer VR-Brille eintauchen kann. Und auch die Technik entwickelt sich weiter: Zum Beispiel gibt es Stühle oder Controller, die vibrieren und körperliche Rückmeldungen geben, sogenannte haptische Effekte. Das sei aber nicht mit der echten Körpererfahrung vergleichbar.
Gaming in Bewegung
Diese Erfahrung bietet auch das Evangelische Jugendreferat mit Bewegungsangeboten. "Viele von den Besuchenden haben ganz lange gestanden, haben auf ihre Lieblingsspiele gewartet und freuen sich jetzt, sich einfach mal zu bewegen", sagt Daniel Drews. Er ist Geschäftsführer des Evangelischen Jugendreferats. Und diese Bewegung wird auf der Gamescom mit Technologie verbunden. Das findet am Stand der Fachstelle für aktive Medienarbeit in Nordrhein-Westfalen statt.
Während vorne echte Körbe geworfen werden und Menschen Rollstuhlbasketball spielen, läuft im Hintergrund auf einem großen Bildschirm ein Spiel von Nintendo. Der Konzern hat versucht, die Dynamik des Rollstuhlbasketballs auch virtuell erlebbar zu machen.
"Es hat auch echt ganz gut geklappt", sagt Tim Wolf vom Brühler Turnverein. Er spielt seit 15 Jahren Rollstuhlbasketball und war auch im Ligabetrieb dabei. Für ihn ist das Manövrieren im Rollstuhl längst Routine. An der Konsole dagegen tut er sich schwerer. Auch Pfarrer Heiko Ehrhardt gefällt dieser Stand, da er auch zeigt, wie breit die Community aufgestellt ist. "Wir müssen lernen, in einer Welt zu leben, in der es verschiedene Lebensentwürfe gibt", sagt der Pfarrer. Er sieht das als gut und bereichernd an. Es habe einen Sinn, miteinander zu leben und nicht gegeneinander.
Manchmal lieber "Retro"
Hologramme, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität: Diesen technischen Fortschritten begegnet der Pfarrer mit Neugier und Offenheit. Es gibt aber auch Geräte, da sei weniger mehr, erklärt er. Zum Beispiel, wenn es um Flipper geht. Bei dem mechanischen Spiel mit einer schrägen Fläche muss man eine Kugel mit zwei Flipperarmen im Spiel halten.
Inzwischen gebe es in keiner Kneipe mehr Flipper. "Die haben alle entweder Videospiele oder elektrische Flipper mit Videohintergründen", erzählt der Pfarrer. Auch preislich seien diese Art von Flipper heutzutage unerschwinglich. "Warum soll ich da oben ein Video brauchen? Ich will wissen, was unten die Kugel macht", so Ehrhardt. Zumindest da sei er "Retro", sagt er.