Pfarrer bekehrt Hooligans zu gläubigen Christen

Vermittler im Fußballkrieg

Gewalt in Fußballstadien ist ein Problem in vielen Ländern weltweit, in Kolumbien ein besonders großes: zwölf tote Fans, so die Bilanz der vergangenen Saison. Alirio Lopez hat den Kampf gegen die Aggression aufgenommen. Der Priester bekehrt Hooligans zu gläubigen Christen.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

"Das Fußballstadion ist wie eine Kathedrale", sagt Padre Alirio Lopez. "Wie in der Kirche sind auf der Tribüne alle Bevölkerungsschichten zu Gast; man trifft den Querschnitt unserer Gesellschaft." Auf einer Flipchart malt Lopez die Umrisse von "El Campin" nach, der Arena in Kolumbiens Hauptstadt Bogota. Hier tritt der Priester jeden Spieltag seinen - wenig himmlischen - Dienst an. Sein Ziel ist, die ausufernde Gewalt in Kolumbiens Stadien einzudämmen. Insgesamt zwölf Fans, so rechnet die Zeitung "El Tiempo" vor, haben die abgelaufene Saison nicht überlebt.

Alles begann vor knapp vier Jahren mit dem Abend, der als blutiger Mittwoch in die Geschichte des kolumbianischen Fußballs einging: Ein wütender Mob stach Edison Garzon erst nieder, dann warfen die entfesselten Hooligans den blutüberströmten Körper wie einen Sack Abfall die sechs Meter vom Oberrang des Stadions hinunter. Die schreckliche Bilanz des Klassikers zwischen Hauptstadtklub Santa Fe und America de Cali im Mai 2005: ein Toter und 23 Schwerverletzte.

Ein blutiger Krieg in den Arenen des Landes
Seit diesem Tag tobt in den Arenen des Landes ein blutiger Krieg. Als wütende Fans im "El Campin" die gerade für die laufende südamerikanische WM-Qualifikationsrunde neu installierten Sitzschalen aus der Verankerung rissen, wollte sogar Alirio Lopez aufgeben. Im Bürgermeisteramt von Bogota bat der entnervte Padre darum, ihn von seinen städtischen Pflichten als Vermittler im Fußballkrieg zu entbinden.

Doch Bürgermeister Samuel Moreno lehnte ab. Mit gutem Grund:
Tausende Fans aus den gewaltbereiten Slums Bogotas hat der Pfarrer bereits entwaffnen können. Erst kurz vor Weihnachten lieferten wieder viele hundert Menschen ihre Waffen bei dem Mann Gottes ab.
Die Aktion war so beeindruckend, dass sogar die Hauptnachrichtensendung des nationalen Fernsehens live berichtete.

Das macht Lopez ein wenig stolz - und stolz ist er auch auf einen eigenen Fanblock im Stadion: Hier sitzen die Anhänger, die sich von der Gewalt losgesagt und einen Weg zu Gott gefunden haben. "Es sind noch einige Plätze frei, aber daran arbeiten wir", deutet Lopez auf den Oberrang im Stadion. Wir - das sind der Pfarrer und die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Aktion "Goles en Paz" (Tore in Frieden).

Auf taube Ohren stößt der Pastor beim Verband
Die gefährlichsten aller Fangruppen treffen sich in den "Barras Bravas", wie die gewaltbereiten Fans auf den Tribünen genannt werden. Hier haben vor allem die Jugend-Gangs der Armenviertel das Sagen. Kommen zudem noch Drogen ins Spiel, gibt es keine Hemmschwelle mehr. Oft genügt ein falscher Blick, ein kleiner Rempler - und aus einer Nichtigkeit wird tödlicher Ernst. Der blutige Überlebenskampf aus den Slums hat die Tribünen längst erreicht.

Wo die Polizei aufgegeben hat, fängt Padre Alirio Lopez erst an.  Entwaffnung und Evangelisierung sind seine Ziele: "Zunächst mal müssen wir den jungen Menschen klarmachen, dass sie ihre Messer und Pistolen abgeben sollen. Dann versuchen wir, ihnen Gott näher zu bringen. Nicht alle hören uns zu, aber es werden immer mehr."

Auf taube Ohren stößt der Pastor beim Verband. Von Korruption und Missmanagement beherrscht, hat der kein wirkliches Interesse an einer Verbesserung der Situation. Für Padre Alirio Lopez ist das kein Grund zum Aufgeben: "Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, wenn wir aus einem brutalen Schläger wieder einen Menschen gemacht haben", sagte er und fügt hinzu: "Und noch mehr freue ich mich, wenn ich ehemalige Hooligans am Sonntagmorgen in meiner Kirche sehe. Dann weiß ich, dass sich diese Arbeit lohnt."