In Hoffenheim sind selbst die Pfarrer fußballverrückt

Kein Wunder, aber wunderbar

Herz-Jesu Hoffenheim. So heißt nicht etwa der Lokalrivale von Fussball-Bundesliga-Herbstmeister TSG 1899 Hoffenheim. Nein, Herz-Jesu ist der Name der katholischen Kirche in dem 3.300-Seelen-Dorf im badischen Kraichgau. Und Konkurrenten sind Herz-Jesu und die TSG höchstens dann, wenn zeitgleich zu einer kirchlichen Veranstaltung der Bundesliga-Spitzenreiter ein Heimspiel austrägt in der nagelneuen Rhein-Neckar-Arena im benachbarten Sinsheim.

Autor/in:
Gottfried Bohl
 (DR)

Doch das soll so schnell nicht vorkommen. Jedenfalls, soweit es der katholische Pfarrer Wolfgang Oser und sein evangelischer Kollege Werner Bär beeinflussen können. Denn zum einen sind viele ihrer ehrenamtlich engagierten Gemeindemitglieder auch bei der Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder beim Fußballclub selbst aktiv und haben somit bei den Heimspielen Dienst rund ums Stadion. Zum zweiten würde derzeit wohl kaum ein Hoffenheimer zum Bibelnachmittag kommen, wenn zeitgleich die Blau-Weißen kicken. Wo doch sogar schon Mitglieder des Pfarrgemeinderats ihr Haus in den Vereinsfarben angestrichen haben.

Und drittens fiebern die beiden Gottesmänner höchstwahrscheinlich selbst in der Arena mit: Bär hat eine Dauerkarte - und Oser wird regelmäßig von dem ein oder anderen Vereinsoberen oder -unterstützer eingeladen: «Offenbar haben die ganz gerne mal den Pfarrer dabei», schmunzelt der 61-Jährige.

Kein Wunder, dass die beiden fußballverrückten Dorfpfarrer und Hobbykicker jetzt auch den schicken neuen «Fußballtempel» segnen durften vor dem ersten Spiel. «Wir haben viele gläubige Menschen in der Region, insofern war das ein schöner Moment, auch für mich persönlich», bekennt TSG-Mäzen und Stadion-Bauherr Dietmar Hopp. Dass der Milliardär im Umfeld selbst schon mal als «der liebe Gott von Hoffenheim» bezeichnet wird, lässt die Pfarrer natürlich deutlich die Nase rümpfen. Andererseits geraten sie schon auch ins Schwärmen, loben die bescheidene Art des gebürtigen Hoffenheimers und sein unermüdliches sportliches und soziales Engagement für den Verein und die ganze Region.

«Hopp hat eine Riesenanteil am Fußballmärchen», sind sich Bär und Oser einig. Vom vielzitierten «Fußballwunder» wollen die Geistlichen nicht reden, finden aber «wunderbar», was da gerade abläuft. Und beide hoffen, dass Hoffenheim noch möglichst lange ein etwas anderer Bundesligaclub bleibt: Bär spricht vom «guten Geist» und von den Werten, die die TSG verkörpere. Gerade in der «vorbildlichen Jugendarbeit» werde immer wieder verdeutlicht, dass Fußball eben nicht alles im Leben sei, dass für die Nachwuchskicker ein guter Schulabschluss an erster Stelle stehe und dass ihr Horizont auch sonst über den grünen Rasen hinausgehen sollte.

Pfarrer Oser wünscht sich außerdem, dass «dieses Unverdorbene, Lockere und Begeisternde, das im kleinen Hoffenheim begonnen hat, lange erhalten bleibt». Darüber predigt er auch schon mal sonntags im Gottesdienst, wenn er Hoffenheim als «modernes Gleichnis» deutet, «wie etwas begeistern und anstecken kann. Wenn wir nur ein bisschen was von dieser Begeisterung hätten, würde in der Kirche nicht immer nur geklagt.»

Im Reliunterricht und im Kindergottesdienst beten die kleinen Fans sogar schon mal um die Meisterschaft, erzählt Werner Bär. Den Kindern sei es verziehen, doch dem 53-Jährigen selbst geht das zu weit, genau wie seinem katholischen Amtsbruder Oser: «Ich drücke natürlich jedes Mal die Daumen, bibbere mit und bin sehr aufgeregt. Aber ein Stoßgebet spreche ich nicht zum lieben Gott.»

Die Glocken allerdings hätte er fast schon mal geläutet vor lauter Begeisterung: «Von meinem Temperament her war ich stark in Versuchung, beim Aufstieg zu läuten.» Dann hat er sich aber doch zurückgehalten - aus Rücksicht auf die Menschen in seiner Gemeinde, denen der Hoffenheimer Fußballkult eher unheimlich ist.

Sollte die TSG aber tatsächlich Meister werden, dann können die beiden Pfarrer für nichts garantieren, räumt Bär ein: «Das wäre eine Überlegung wert, aber natürlich würden wir uns ökumenisch absprechen.»