Pfarrer in Balderschwang nimmt Wetterlage gelassen

"Für uns ist das nicht viel Schnee"

Der Ort Balderschwang im Allgäu ist zugeschneit, es wurde sogar ein Hotel von herabrutschenden Schneemassen getroffen. Pfarrer Richard Kocher von Radio Horeb stuft die Lage noch nicht als gefährlich ein. Er hat weitaus schlimmere Winter erlebt. 

 (DR)

DOMRADIO.DE: Sind sie denn total eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten?

Pfarrer Richard Kocher (Chef von Radio Horeb): Ja, ich habe gerade eine Mitteilung vom Verkehrsamt bekommen, in der heißt es: "Gäste, die Balderschwang verlassen möchten, haben die Möglichkeit, sich um 11.30 Uhr am Feuerwehrhaus einzufinden." Es gibt demnach Kleinbusse, die in Konvois über den Pass fahren. Private Fahrzeuge können mit aufgezogenen Ketten ebenfalls fahren. Ein Notarzt und Rettungssanitäter stehen bereit.

Es klingt ein bisschen dramatisch, aber die Verbindung nach Deutschland ist offensichtlich - zumindest in eine Richtung - wieder passierbar. Die andere Richtung geht nach Österreich. Da hatten wir einen Lawinenabgang. Das wurde ja auch zweimal gesprengt. Da müssen die Schneemassen noch beseitigt werden. Ein fahrender Zug nach Österreich war noch nicht möglich.

DOMRADIO.DE: Haben Sie den noch genug Essen und Getränke vor Ort?

Pfarrer Richard Kocher: Ja, es gibt viele Hotels, da braucht man sich nicht zu sorgen. Die Lage ist in guter Kontrolle. Es wird immer wieder gefragt, ob dieser Wintereinbruch etwas ganz besonderes ist. Ist es für uns hier aber eigentlich nicht. Das Außergewöhnliche oder das Beängstigende ist, dass wir an Weihnachten noch keinen Schnee hatten und die Leute mit Schneeschnaufeln die Loipen spuren mussten. Jetzt ist aber innerhalb von 14 Tagen so viel Schnee gekommen. Das ist das Außergewöhnliche.

Vor einem Monat war in einer Nachbargemeinde auf österreichischer Seite - 20 Kilometer von uns entfernt - Wassermangel. Das hat es seit Menschengedenken noch nicht gegeben, dass es im November oder Dezember Wassermangel gegeben hat. Insofern glaube ich schon, dass das insgesamt dem Klimawandel geschuldet ist. Nicht, dass es mal mehr Schnee gibt, sondern dieses Wetterextrem.

DOMRADIO.DE: Ich hatte tatsächlich gestern Besuch aus München. Die haben gesagt: "Wir verstehen das nicht so richtig, das ist eigentlich ein ganz normaler Winter. Nur, weil es in den vergangenen Jahren nicht so geschneit hat, wird das jetzt so gehypt." Können Sie die Einstellung teilen?

Pfarrer Richard Kocher: Ja, das ist für uns wirklich nicht viel Schnee. Die Schneemengen als solche ist für einen "Flachland-Tiroler" natürlich schon gewöhnungsbedürftig. Auf den Dächern liegt schon eine Menge Schnee. Aber da hatten wir schon Winter, die waren schon ganz anders. Da hat man keine Kamine mehr auf den Dächern gesehen. Ich schaue hinüber auf das Nachbarhaus, da sehe ich den Kamin noch ganz gut und das Rohr oben auch. Wenn das nicht mehr gesehen werden kann, dann hat es richtig viel geschneit. Wie gesagt: Das Besondere ist, dass es plötzlich extrem viel geschneit hat.

DOMRADIO.DE: In den Nachrichten haben wir gehört, dass es auch eine Lawine gegeben hat, die ein Hotel getroffen hat. Was haben Sie davon mitbekommen?

Pfarrer Richard Kocher: Ich habe gedacht, dass der Schnee vom Kirchendach abgegangen ist. Das liegt meinem Schlafzimmer gegenüber. Ich habe hinausgeschaut und sehe das vor meinen Augen. Da ist ein Schneebrett abgegangen, als Lawine würde ich das nicht bezeichnen. Das Hotel ist aus meiner Sicht auch nicht beschädigt worden. Es hat einiges an Schnee heruntergegangen. Das haben sie jetzt offensichtlich wieder unter Kontrolle. Aber man sieht noch am Hang einen großen Baum liegen, den der Schnee offenslichtlich mit heruntergerissen hat.

DOMRADIO.DE: Wie gehen die Leute vor Ort mit der Situation um? Sind die eher gelassen doer gibt es da schon Ängste?

Pfarrer Richard Kocher: Die Leute vor Ort gehen völlig locker und gut damit um, weil jeder ein Räumfahrzeug hat. Das sind nicht solche, wie Sie sich das vielleicht vorstellen, das sind Traktoren mit mannshohen Reifen und einer großen Schneefräse. Die hat fast jedes Haus hier. Die Balderschwanger wissen damit umzugehen.

Ich kann mir natürlich schon vorstellen, dass es bei Gästen, die diese Schneemengen nicht gewohnt sind, gewisse Ängstigungen gibt. Wenn aber der Pass in Konvois überquert werden kann, dann werden auch keine Phobien auftreten. Das wird sich wieder beruhigen, wenn die Leute wissen, dass sie den Ort wieder verlassen können.

DOMRADIO.DE: Für die Touristen, die aus diesem Hotel in Balderschwang evakuiert werden mussten, war das sicher ein ziemlicher Aufreger. Aber, wie Sie sagen, die Leute können wieder raus, wenn sie wollen. Wie geht es weiter?

Pfarrer Richard Kocher: Soweit ich jetzt auf meiner App nachgeschaut habe im Wetterbericht, soll es in den nächsten Tagen besser werden. Bei uns wird unglaublich geräumt, weil es ja für die Hotels ein großes Problem darstellen, wenn die Gäste nicht kommen können. Die Leute leben ja davon. Der Pass bei uns - ich sage immer, der wird besser geräumt, als die Dortmunder Innenstadt - wird im Halbstundentakt freigeschaufelt, der ist befahrbar.

Persönlich hab ich nur zwei oder dreimal sehr gefährliche Situationen erlebt. Ich war früher mit Radio Horeb geschäftlich unterwegs und bin dann abends zurückgekommen. Ab acht Uhr wird der Passt nicht mehr geräumt. Wenn es dann elf Uhr geworden ist und es hat riesige Schneemengen gegeben, dann wird es richtig gefährlich. 

Das Interview führte Hilde Regeniter. 


Quelle:
DR
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