Pfarrer aus Odessa plädiert für mehr Waffenlieferungen

"Schützen die westlichen Werte für alle"

Der Krieg in der Ukraine ist nach Meinung des ukrainischen Pfarrers Oleksandr Gross aus dem Fokus des Westens geraten. Weder die Menschen noch das Land stünden im Zentrum der westlichen Partnerländer, sagte er.

Autor/in:
Franziska Hein
Odessa: Wohnhäuser liegen nach Angriffen in Trümmern / © Uncredited (dpa)
Odessa: Wohnhäuser liegen nach Angriffen in Trümmern / © Uncredited ( dpa )

Gross ist Präsident der Synode der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU). An diesem Samstag jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine zum zweiten Mal.

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine befindet sich nach den Worten ihres Pfarrers Oleksandr Gross in einer tiefen Krise / © Heike Lyding (epd)
Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine befindet sich nach den Worten ihres Pfarrers Oleksandr Gross in einer tiefen Krise / © Heike Lyding ( epd )

Gross beklagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Abhängigkeit der Ukraine von ihren Partnern. Der Kriegsausgang liege mehr in den Händen der Partner als in den Händen der Ukrainer. Russland reagiere nur auf starke Gegner, daher brauche es Waffen aus dem Westen. Anders lasse sich der Krieg nicht beenden, betonte er. Russland wolle eine neue Weltordnung etablieren und zerstöre die internationale Rechtsordnung. "Wir schützen die westlichen Werte für uns alle, nicht nur für die Ukraine. Das ist unsere Aufgabe."

DELKU kümmert sich um Menschen in Odessa

Die DELKU sei eine sehr kleine Kirche, die dennoch auch mittels Spenden aus den USA oder den Ländern Nordeuropas viel Gutes tue. "Wir zeigen unserer ukrainischen Bevölkerung, was Kirche ist", sagte Gross, der Pastor der lutherischen Gemeinde in Odessa ist. "Wir zeigen, dass die Kirche in der Not neben den Menschen steht." Die DELKU versorge in der Region Odessa in acht Dörfern gut 1.000 Menschen mit Lebensmitteln. Sie verteilt Lebensmittelgutscheine an ukrainische Binnenflüchtlinge und organisiert Suppenküchen für arme und kranke Menschen. Das sei zwar nur ein Tropfen im Ozean, aber für die Kirche schon eine große Aufgabe.

Die DELKU versorgt laut Pfarrer Gross in der Region Odessa in acht Dörfern gut 1.000 Menschen mit Lebensmitteln.  / © Kay Nietfeld (dpa)
Die DELKU versorgt laut Pfarrer Gross in der Region Odessa in acht Dörfern gut 1.000 Menschen mit Lebensmitteln. / © Kay Nietfeld ( dpa )

Zudem unterstütze die Kirche Binnenflüchtlinge, indem sie Modulhäuser für Familien in einem Ort nahe Odessa errichte, in dem geflüchtete Familien leben könnten. Mithilfe von Spenden des Gustav-Adolfs-Werks, aus den USA und Schweden seien mehrere dieser Häuser gebaut worden. «Die Familien sind nun Teil der Gemeinde, sie leben und arbeiten hier», sagte Gross.

Pfarrer: Normalität ist für Leute wichtig

Ansonsten gebe es eine Art Normalität im Alltag in Odessa. In der Stadt am Schwarzen Meer im Süden der Ukraine sei die Lage dank der Luftabwehr weniger angespannt als etwa im Südosten an der Frontlinie. Aber in Sicherheit lebe niemand in der Ukraine. "Jeder versteht, dass heute der letzte Tag sein kann", sagte Gross. 

Besucher und Gäste in Odessa bemerkten aber, dass das Leben recht normal verlaufe. Die Menschen gingen arbeiten, Restaurants hätten geöffnet und der öffentliche Nahverkehr fahre auch. "Diese Normalität ist wichtig, damit die Menschen nicht psychisch zermürbt werden", sagte der Pfarrer.

Christliche Kirchen in der Ukraine

Die kirchlichen Verhältnisse in der Ukraine sind komplex. Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) des Moskauer Patriarchats und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Zudem gibt es eine römisch-katholische Minderheit mit rund einer Million Mitgliedern sowie die mit Rom verbundene (unierte) griechisch-katholische Kirche der Ukraine.

Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny (KNA)
Das Heilige Feuer aus Jerusalem am 18. April 2020 im Kiewer Höhlenkloster Petscherska Lawra, Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats. / © Sergey Korovayny ( KNA )
Quelle:
epd