DOMRADIO.DE: Fünf Mal die Woche haben Sie bei sich im "Petershof" einen Mittagstisch. Wie viele Menschen kommen täglich zu Ihnen?
Yannik Form (Leiter des sozialpastoralen Zentrums "Petershof" in Duisburg-Marxloh): Zum Mittagstisch können wir um die 100 bis 150 Portionen anbieten. Wir haben 60 bis 70 Personen, die auch vor Ort essen. Viele Menschen nehmen auch mal was für abends oder für Freunde und Bekannte mit.
DOMRADIO.DE: Können Sie beobachten, ob die Zahlen steigen?
Form: Ja, die Zahlen steigen enorm. Über Weihnachten hatten wir 170 Personen jeden Tag zum Essen da. Das war noch mal deutlich mehr. Aber auch ansonsten zeigt sich, dass es leider immer mehr Menschen gibt, die zu uns kommen, um eine warme Mahlzeit zu erhalten.
DOMRADIO.DE: Beobachten Sie denn auch, dass mehr ältere Menschen aus vermeintlich bürgerlichen Verhältnissen Ihre Einrichtung konsultieren?

Form: Leider ja. Als ich hier angefangen hatte, war ich sehr überrascht. Man hört immer von Altersarmut. Wir haben hier eine Gruppe von älteren Seniorinnen, die vor allen Dingen gegen Monatsende zum Mittagstisch kommen, wenn nicht mehr so viel Geld auf dem Konto übrig ist. Die Damen sind immer piekfein, haben eine ordentliche Dauerwelle, sind gut angezogen. Aber meine Vermutung ist, dass schlicht deren Witwenrente nicht ausreicht.
DOMRADIO.DE: Heißt das auch, dass die Frauen zu verbergen versuchen, dass sie nicht über die Runden kommen?
Form: Darüber sprechen sie nicht. Ich glaube, dass ganz viele von ihnen noch Anspruch auf weitere Leistungen, auf Grundsicherung, auf aufstockende Leistungen hätten. Da herrscht aber einfach ein falscher Stolz, das beantragen zu wollen.
DOMRADIO.DE: Bei Ihnen im "Petershof" gibt es auch eine Stelle, die da weiterhilft. Wie versuchen Sie denn, die Menschen darauf hinzuweisen?
Form: Wir haben Kooperationspartner vor Ort, die Sozialberatung anbieten. Das ist ganz oft einfach erst mal eine Form von Aufklärung. Es geht darum, was den Menschen zusteht und was sie alles beantragen können. Beim Antrag selbst gibt es auch noch mal aktive Hilfe.
Das aufklärende Gespräch ist erst mal das Wichtigste, damit überhaupt ein Bewusstsein bei den Leuten geschaffen wird, dass sie sich nicht schämen müssen. Vielmehr ist es ihr gutes Recht, dass sie das beantragen und dass es ihnen finanziell deutlich besser geht.

DOMRADIO.DE: Gibt es auch in der Kleiderkammer eine Veränderung, was die Menge der Kundinnen und Kunden betrifft?
Form: Wir bieten dreimal die Woche eine Kleiderkammer an. Da ist das Publikum recht gemischt. Es kommen auch ältere Menschen, aber bei weitem nicht so viele. Die Zahl der älteren Menschen ist ungefähr konstant.
DOMRADIO.DE: Es bleibt die Frage, warum eine Altersarmut überhaupt entsteht. Gibt es mit den Witwen auch schon mal Gespräche darüber, was die Politik ändern sollte?
Form: Ich glaube, dass grundsätzlich ein Problem bei den Renten liegt, das gelöst werden muss. Nach meiner Wahrnehmung ist da in den vergangenen Jahren nicht ganz so viel passiert, wie man sich vielleicht wünschen würde. Und ich glaube, dass Prozesse vereinfacht werden müssen, damit ältere Leute Anträge einfacher verstehen können, damit die Hürden da nicht so hoch sind.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich von der nächsten Regierung, um ältere Menschen besser unterstützen zu können und dieses Armutsrisiko zu mildern?
Form: Das Hauptproblem ist, dass für zukünftige Generationen das Rentensystem angepackt werden muss. Ansonsten würde ich mir auch wünschen, dass die Anträge nicht so schwierig sind und auch deutlich schneller bearbeitet werden. Das ist manchmal sehr demotivierend, wenn alles vorliegt und die Ämter trotzdem mehrere Wochen oder sogar Monate brauchen, um Entscheidungen zu treffen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.