Pax-Christi-Chef sieht Kriegstüchtigkeit im Widerspruch zu Grundgesetz

"Ohne Hoffnung auf Frieden könnte ich diese Arbeit nicht tun"

Gerold König, Bundesvorsitzender der katholischen Friedensbewegung pax christi, warnt vor einer Militarisierung der Sprache. Im Interview spricht er über Ostermärsche, den Umgang mit Putin und warum Gewaltfreiheit für ihn zentral ist.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Friedensdemonstration von Pax Christi auf dem Katholikentag in Erfurt / © Harald Oppitz (KNA)
Friedensdemonstration von Pax Christi auf dem Katholikentag in Erfurt / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bei welchem der Ostermärsche werden Sie dabei sein?

Gerold König, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und im Bundesvorstand von Pax Christi, bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" zum Synodalen Weg am 4. September 2020 in Dortmund. / © Andreas Oertzen (KNA)
Gerold König, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und im Bundesvorstand von Pax Christi, bei der Regionenkonferenz "Fünf Orte - ein Weg" zum Synodalen Weg am 4. September 2020 in Dortmund. / © Andreas Oertzen ( KNA )

Gerold König (Bundesvorsitzender pax christi Deutschland): Ich werde höchstwahrscheinlich direkt in der Nachbarschaft in Düren dabei sein. Ich werde mitgehen und mir anhören, was dort gesprochen wird.

DOMRADIO.DE: Die designierte Bundesregierung will die Verteidigungsausgaben künftig nicht mehr der Haushaltsdisziplin unterwerfen. Verteidigungsminister Pistorius sagt, wir müssten wieder "kriegstüchtig" werden. Hat er da nicht recht – solange wir es mit dem Aggressor Putin zu tun haben?

König: Ich glaube nicht, dass wir kriegstüchtig werden müssen. Mit dieser Rede von der Kriegstüchtigkeit widersprechen wir dem, was die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes gewollt haben – nämlich Frieden. Dieses Gerede von Kriegstüchtigkeit finde ich gefährlich, weil es suggeriert, dass wir Gefahr laufen, in einen Krieg zu kommen. Das können wir selbst steuern.

Da sind wir bei der zweiten Frage: Steht der Russe vor der Tür? Steht Putin vor der Tür? Ich glaube nicht, dass Wladimir Putin ein Interesse hat, morgen in Berlin einzumarschieren. Das halte ich für abstrus – für eine Hypothese. Aber selbst wenn: Dann muss es doch Mittel und Wege geben, im Rahmen der Diplomatie miteinander ins Gespräch zu kommen – um alles zu verhindern, was zu einem Krieg führt. Aufrüstung bewirkt immer das Gegenteil.

Gerold König

"Wir dürfen ihn nicht immer nur als Feind sehen. Wir müssen auch schauen: Wie kann man mit ihm reden?"

DOMRADIO.DE: Sie sprechen von Diplomatie. Sie fordern Verhandlungen statt Krieg. Halten Sie Putin für einen ernst zu nehmenden Verhandlungspartner?

König: Zunächst halte ich ihn für einen ernst zu nehmenden Politiker, der in seinem Land versucht, die Regierung zu führen – wie auch immer. Ich finde das, was er tut, nicht gut. Aber ich glaube, wir müssen ihn ernst nehmen – auch als Verhandlungspartner.

Wir dürfen ihn nicht immer nur als Feind sehen. Wir müssen auch schauen: Wie kann man mit ihm reden? Ich weiß, dass viele sagen: Das geht doch gar nicht. Aber vielleicht muss man indirekte Wege gehen. Etwa über Länder, die ihm freundlich gesinnt sind – und über diesen Weg versuchen, Einfluss zu nehmen auf das, was Putin tut. Ich glaube, dass das funktionieren kann. 

DOMRADIO.DE: Mit einem irrlichternden US-Präsidenten Trump ist die Lage der Ukraine noch schwieriger. Verdienen die Menschen in der Ukraine nicht unsere Unterstützung – auch militärisch, wie sie es selbst fordern? 

König: Sie verdienen unsere Unterstützung – in jeder Beziehung. Die Frage ist nur: Wie weit gehen wir?

Das Leid, das den Ukrainern durch den völkerrechtswidrigen Einmarsch von Putin zugefügt worden ist, ist sehr schlimm. Es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung. Aber für mich endet Selbstverteidigung dort, wo Menschen in nicht mehr absehbarer Zahl geopfert werden – und es gleichzeitig keinerlei Aussicht gibt, den Krieg zu beenden.

Gerold König

"Der Krieg fordert immer mehr Tote, aber führt zu keiner Lösung."

Dann muss man überlegen: Was macht das eigentlich noch für einen Sinn, noch mehr Opfer zu bringen? Noch mehr Tote in Kauf zu nehmen? Marschflugkörper wie Taurus einzusetzen und einen Krieg heraufzubeschwören, der tödlicher wird, als wir es uns vorstellen können? Oder müssen wir nicht vielmehr sehen: Hier sind Grenzen erreicht – und wir müssen einen anderen Weg finden?

DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie glauben an einen anderen Weg. Haben Sie eine Vorstellung, wie dieser Weg aussehen könnte? 

König: Ich habe das vorhin schon angedeutet. Es gibt ein Schweizer Forschungsinstitut, das festgestellt hat, dass zwei Drittel aller Kriege durch Verhandlungen beendet wurden – und nicht durch Waffengewalt. Ich glaube, auch dieser Krieg kann nicht mit Waffen beendet werden.

Der Krieg fordert immer mehr Tote, aber führt zu keiner Lösung. Ich denke, es muss möglich sein, mit befreundeten Ländern Russlands ins Gespräch zu kommen – und die Sinnlosigkeit dieses Krieges deutlich zu machen. Daraus können sich dann Verhandlungslösungen ergeben. 

DOMRADIO.DE: Wer heute Friedensverhandlungen fordert, wird schnell als "Putin-Versteher" abgestempelt oder als naiv bezeichnet. Wie schwer ist es, in so einer Lage an Friedensforderungen festzuhalten? 

König: Ich glaube, es ist wichtig, nach außen zu zeigen, dass wir an diesen Frieden glauben. Es ist wichtig, den Menschen zu sagen: Frieden ist möglich. Es gibt Hoffnung auf Frieden.

Gerold König

"Ich glaube, der Weg, den Christus gegangen ist, kann für uns ein Vorbild sein. Wir werden ihn nicht so gehen können."

Ohne diese Hoffnung auf Frieden könnte ich die Friedensarbeit nicht machen. Gerade jetzt vor Ostern ist es wichtig, daran zu erinnern: Es gibt Hoffnung auf ein Leben in Frieden. Ich glaube, dass das möglich ist.

DOMRADIO.DE: Pax Christi ist eine dezidiert katholische Friedensbewegung. Was hat Ihr Einsatz bei den Ostermärschen und Ihr Protest gegen Aufrüstung mit dem Glauben zu tun?

König: Ostern ist das Fest der Auferstehung, vor dem eine lange Leidensgeschichte steht. Es ist eine Geschichte der Gewaltfreiheit, die Jesus Christus mit auf die Welt gebracht hat. Er hat versucht, uns zu zeigen, dass Kriege nicht notwendig sind und dass man durch Gewaltfreiheit viel erreichen kann.

Ich glaube, der Weg, den Christus gegangen ist, kann für uns ein Vorbild sein. Wir werden ihn nicht so gehen können. Das ist klar. Totale Gewaltfreiheit ist schwer umzusetzen und auch nicht immer erfolgreich. Auch bei Jesus endete das am Kreuz.

Dennoch gibt es diese Aussicht, diese Perspektive, diese Hoffnung: Es gibt einen Weg danach. Am Ende dieses Weges wird der Horizont frei für Hoffnung. Das glaube ich und das verbinde ich mit Ostern.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Pax Christi

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. (pax christi)

Friedenstauben (dpa)
Friedenstauben / ( dpa )
Quelle:
DR

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