Patriarch Sabbah: Das Böse durch das Gute besiegen

Weihnachtsfeierlichkeiten in der Geburtsstadt Jesu

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, hat in seiner Weihnachtspredigt ein Ende der Gewalt in der Region und die Rückkehr zum Dialog angemahnt. Während der Christmette in der völlig überfüllten katholischen Katharinenkirche forderte er die politisch Verantwortlichen auf, das "Zeitalter des Todes" zu beenden. Trotz der instabilen politischen Lage nahmen mehrere tausend Pilger aus Israel, der Westbank und aller Welt an den nächtlichen Weihnachtsfeiern in der Geburtsstadt Jesu teil. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas war bei der Feier in dem unmittelbar neben der Geburtsbasilika gelegenen katholischen Gotteshaus anwesend. Größere Zwischenfälle wurden zunächst nicht bekannt.

 (DR)

Sabbah beklagte in seiner Predigt wachsende Schwierigkeiten in Bethlehem. Seit längerem erschwerten die Mauer an der Grenze zu Jerusalem und hohe Arbeitslosigkeit den Alltag. Das gesellschaftliche Leben sei zum Stillstand gekommen, militärische Bestimmungen trennten Familien. Nun kämen noch die inneren Zerwürfnisse unter den Palästinensern hinzu, die die Lage weiter verschlimmerten. Es dürfe nicht länger Blut mit Blut vergolten werden, mahnte Sabbah, weder unter den Palästinensern noch von israelischen Soldaten, "die weiterhin Palästinenser in ihren palästinensischen Städten töten".

"Baldiges Verschwinden der Christen aus dem Heiligen Land"
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern dauere "schon viel zu lange", so der 73-Jährige. Die politisch Verantwortlichen auf beiden Seiten sowie die internationale Staatengemeinschaft sollten endlich eine neue Initiative starten, "um dieser langen Zeit des Todes in unserer Geschichte ein Ende zu bereiten und eine neue Epoche in diesem Heiligen Land einzuläuten".

Die Christen in aller Welt bat der Patriarch, der selbst Palästinenser ist, um ihr Gebet und ihre Solidarität. Viele seien besorgt um die Zukunft der Christen in der Heimat Jesu und um ihr "baldiges Verschwinden aus diesem Land". Die einen sähen die kleine Minderheit der Christen bedroht durch die Muslime, die anderen erdrückt zwischen Muslimen und Juden. Sicher stelle die Minderheitensituation die Christen vor Probleme, räumte Sabbah ein. Auch hätten sie in ihrem Verhältnis zu den Muslimen "noch kein perfektes Gleichgewicht erlangt", obwohl es zahlreiche Anstrengungen gebe, eines Tages zu der gewünschten Stabilität zu gelangen. Doch diese Schwierigkeiten seien nebensächlich im Vergleich zu "jenem großen Konflikt, der nicht endet" und an dem sich das Schicksal der Christen im Land entscheiden werde.

Die Gläubigen im Land forderte Sabbah zu Widerstand gegen Besatzung und Unterdrückung auf. Dafür dürften sie sich jedoch nicht von den Sorgen niederdrücken lassen. Weihnachten bedeute in ihrer derzeitigen schwierigen Lage, der Gnade Gottes im eigenen Leben Raum zu geben und das "Böse durch das Gute" zu besiegen.

Dem palästinensischen Präsidenten Abbas versprach der Patriarch sein Gebet, damit er von Gott die Weisheit und den Mut erlange, seine "Aufgabe inmitten der verschiedenen inneren Spannungen, die wir zurzeit erleben," zu erfüllen. Die Weihnachtsbotschaft fordere alle Menschen guten Willens auf, "ihre Waffen niederzulegen und zum Dialog zurückzukehren".

Am Ende des Gottesdienstes stieg der Patriarch in traditioneller Prozession in die Geburtsgrotte hinunter und legte dort eine Figur des Jesuskindes ab. Die Gläubigen drängten sich anschließend noch Stunden, um die Stelle zu sehen, an der nach christlicher Überlieferung Maria Jesus gebar. Zwar hatte die Franziskaner-Kustodie im Heiligen Land nach eigenen Angaben vorab 2.000 kostenlose Eintrittskarten ausgegeben, aber noch eine Stunde nach Beginn der Christmette versuchten Scharen von Gläubigen vergebens, eingelassen zu werden.

Am Nachmittag hatten mehrere zehntausend Menschen bei strahlendem Sonnenschein den feierlichen Einzug des Patriarchen in Bethlehem gefeiert. Zeitweise kam der Verkehr in der Stadt völlig zum Erliegen. Der Krippenplatz war mit Pfadfindern, Dudelsackgruppen und Besuchern aus der Stadt, Israel und dem Ausland überfüllt.
Nach Angaben der örtlichen Sicherheitskräfte waren deutlich mehr Besucher auf dem Krippenplatz als im Vorjahr, wenn auch längst nicht so viele wie in Zeiten vor der Intifada. 2005 waren 30.000 Menschen auf dem Platz vor der Geburtskirche gezählt worden.

Begegnung Olmerts mit Abbas begrüßt
Mit Wohlwollen wurde unterdessen im Lateinischen Patriarchat von Jerusalem das erste offizielle Treffen zwischen Israels Staatspräsident Ehud Olmert und Abbas am Samstag vor Weihnachten beobachtet. Die überraschende Begegnung sei ein Hoffnungszeichen, sagte der designierte Nachfolger Sabbahs als Patriarch, Weihbischof Fouad Twal, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch wenn abzuwarten bleibe, ob weitere Begegnungen folgen werden, handele es sich um ein "schönes Weihnachtsgeschenk".

Die katholischen Feierlichkeiten sind in jedem Jahr nur der Beginn der Weihnachtsfeiern im Heiligen Land. Es folgen am 6.
Januar die Feiern der orthodoxen Kirchen und am 19. Januar die der Armenier.