Patriarch Pavle I. 95-jährig gestorben

Staatstrauer in Serbien

Der serbisch-orthodoxe Patriarch Pavle I. ist tot. Er starb am Sonntagvormittag im Alter von 95 Jahren in einem Belgrader Militärkrankenhaus. Das serbische Kirchenoberhaupt war seit Jahren schwer krank. Zeitweilig entbrannte ein heftiges Ringen um einen vorzeitigen Rücktritt vom Patriarchenamt und die mögliche Nachfolge.

 (DR)

Pavle I. stand seit der Absetzung seines Vorgängers German 1990 an der Spitze der serbischen Kirche. Zuvor wirkte er 33 Jahre lang als Bischof von Prizren und Raska im Kosovo.

Die serbische Regierung ordnete am Sonntag drei Tage Staatstrauer an. Staatspräsident Boris Tadic erklärte: «Es gibt Menschen, die schon durch Ihre Existenz ein ganzes Volk verbinden. So war Patriarch Pavle.» Seinen Tod empfinde Tadic als «persönlichen Verlust». Ministerpräsident Mirko Cvetkovic sagte, das serbische Volk habe «einen weisen Führer verloren», auf den es solz gewesen sei. Papstsprecher Federico Lombardi bekundete über Radio Vatikan sein Bedauern über den Tod des Patriarchen und kündigte eine offizielle Stellungnahme an.

Gleich nach seinem Amtsantritt 1990 erlebte Pavle I. den politischen Zerfall Jugoslawiens. Während der Kriege der 90er Jahre sprach er sich - auch gegen Stimmen aus der eigenen Synode - gegen gewaltsame Lösungen aus. Kritiker warfen ihm gleichwohl ideelle Unterstützung des serbischen Nationalismus sowie fehlende Distanzierung vom damaligen Staatspräsidenten Slobodan Milosevic und vom früheren Chef der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, vor. Seine strenge Frömmigkeit und persönliche Bescheidenheit stand auch bei den anderen Konfessionen und Religionen außer Frage.

In Pavles letzten Lebensjahren kam es zu unübersichtlichen Manövern um seine Nachfolge. Mehrfach lehnte er einen Rücktritt ab, wie ihn Teile der Synode wünschten. Nach einem verstrichenen Ultimatum erklärten ihn die Bischöfe im Mai 2008 für abgesetzt. Im Herbst schließlich bot Pavle I. selbst seinen Rückzug aus gesundheitlichen Gründen an, den die Bischöfe dann ihrerseits ablehnten.

Nach Einschätzung von Beobachtern diente die Ablehnung des Rücktrittsgesuchs dazu, die politische Richtungsentscheidung der serbisch-orthodoxen Kirche noch aufzuschieben. Eine wichtige innerkirchliche Streitfrage ist die Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft in der Kosovo-Frage. Weitere Punkte sind die Positionen der Kirche zur europäischen Integration Serbiens, zur Ökumene und zur Liturgiereform.

Entsprechend der serbisch-orthodoxen Kirchenordnung wird ein neuer Patriarch normalerweise erst nach dem Tod des Amtsinhabers oder wegen einer «dauernden Amtsunfähigkeit» gewählt. Bereits im November
2007 hatte Pavle I. mit Metropolit Amfilohije von Montenegro und Primorje (71) einen sogenannten Vikar zur Unterstützung erhalten. Nach dem serbisch-orthodoxen Kirchenrecht bedeutet das keine Vorentscheidung für die nun anstehende Wahl eines neuen Patriarchen. Dennoch dürfte der als nationalkonservativ geltende Metropolit ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Pavle I. sein.

In den eigenen Reihen setzte sich der Patriarch, der am 11.
September 1914 als Gojko Stojcevic im slawonischen Kucani im heutigen Kroatien geboren wurde, für eine ökumenische Öffnung ein. Mehrmals bemühte er sich vergeblich um einen Besuch von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) in Belgrad.