Patriarch Bartholomäus I. besucht Deutschland

Pastoralbesuch mit politischen Akzenten

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., beginnt heute seinen Deutschlandbesuch. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie trifft dabei unter anderen mit Bundespräsident Gauck und Kanzlerin Merkel zusammen.

Patriarch Bartholomäus (KNA)
Patriarch Bartholomäus / ( KNA )

Patriarch Bartholomäus I., das Ehrenoberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit, ist ein gefragter Gesprächspartner für Staats- und Regierungschefs wie für kirchliche Würdenträger aus allen Konfessionen. Prominentester Besucher am Patriarchensitz in Istanbul war Papst Benedikt XVI., der 2006 mit Bartholomäus in der St. Georgs-Kathedrale einen Gottesdienst zum Fest des Apostels Andreas feierte. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. suchte 2009 bei seiner ersten Auslandsreise ebenfalls Patriarch Bartholomäus auf, der im Kreis der orthodoxen Kirchenoberhäupter den Rang eines Ersten unter Gleichen einnimmt.

Auch bei seinem Deutschlandbesuch vom 10. bis 19. Mai trifft das Kirchenoberhaupt hochrangige Repräsentanten von Staat und Kirche. Auf dem Programm stehen Begegnungen mit Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU), Regierungschefs der Bundesländer sowie den Spitzen von katholischer und evangelischer Kirche. Stationen der Reise sind Stuttgart, Esslingen, Frankfurt am Main, Bonn, Berlin und München.

Lage der Christen in bedrängten Ländern

In dem Gespräch mit Bundespräsident Gauck wird voraussichtlich auch die schwierige Lage der Christen in der Türkei eine Rolle spielen. Gauck hatte erst vor kurzem die Türkei besucht und hatte sich dort mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einen verbalen Schlagabtausch geliefert. Hatte Erdogan zunächst Verbesserungen für Christen und andere Minderheiten in Aussicht gestellt, so blieb die Umsetzung der Versprechen bisher enttäuschend. Auch zur bedrängten Situation der Christen in den anderen Ländern des Nahen Ostens dürfte die Einschätzung des Patriarchen gefragt sein. Abgerundet wird der politische Teil der Reise durch Begegnungen mit den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann (Grüne) und Horst Seehofer (CSU), sowie mit den Botschaftern Griechenlands und der Türkei.

Als geistliches Oberhaupt der Weltorthodoxie ist von Bartholomäus besonderes diplomatisches Geschick gefragt, wenn es um Zusammenhalt in der orthodoxen Konfessionsfamilie geht. Auf Einladung des Patriarchen wurde im März bei einem Treffen aller orthodoxen Kirchenoberhäupter in Istanbul trotz strittiger Fragen Einvernehmen über die Einberufung eines panorthodoxen Konzils erzielt. Es soll 2016 in Istanbul stattfinden und wäre das erste orthodoxe Konzil seit dem Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 787.

Patriarch kritisiert nationalistische Strömungen in Ukraine

Nationalistische Strömungen in orthodoxen Kirchen, wie sie auch im Ukraine-Konflikt sichtbar werden, finden in dem Ökumenischen Patriarchen einen entschiedenen Kritiker. Das Konzept Nation könne nicht zum maßgeblichen Faktor für kirchliches Leben oder kirchliche Organisation werden, mahnte er vor wenigen Tagen anlässlich eines Besuchs in den Niederlanden. An Palmsonntag übermittelte er dem ukrainischen Volk eine "Nachricht der Hoffnung". Darin erinnerte er an die "tiefen Narben und offenen Wunden" der Weltkriege des 20. Jahrhunderts und den Druck auf eine Nation, die Jahrzehnte Totalitarismus erleben musste.

Einen weiteren Schwerpunkt des Deutschlandbesuchs des Patriarchen bilden ökumenische Begegnungen. Seit seinem Amtsantritt 1991 ist die Ökumene für Bartholomaios I. ein zentrales Anliegen. Auf dem Programm stehen Begegnungen mit der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn und mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin; zudem wird der Patriarch im Berliner Dom einen öffentlichen Vortrag halten. Auch in Frankfurt und München sind Treffen mit evangelischen Kirchenoberen und Kardinal Reinhard Marx geplant.

Für eine Annäherung der christlichen Kirchen

Kirchenpolitisch setzt sich der Patriarch, der auch den Titel "Erzbischof von Konstantinopel und Neu-Rom" trägt, für eine Annäherung der christlichen Kirchen ein. Am 19. März 2013 nahm er an der Einführung von Papst Franziskus teil. Zum ersten Mal seit der Kirchenspaltung von 1054 reiste somit das Oberhaupt der orthodoxen Kirche zur Amtseinführung des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche. Für Ende Mai ist ein ökumenisches Treffen mit Franziskus in Jerusalem geplant.

Bartholomäus' ökumenische Ausrichtung wird auch in Begegnungen mit anglikanischen und protestantischen Kirchenführern sichtbar. Bereits 1993 hatte Bartholomäus auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz die Bundesrepublik besucht.

Der "grüne Patriarch"

Auf Reisen nach Grönland und Brasilien machte er auf die globalen Umweltprobleme aufmerksam und warb für die Erhaltung der Schöpfung, was ihm den Titel "Grüner Patriarch" einbrachte. Das Thema seines Berliner Vortrags lautet "Nachhaltigkeit und Lob des Schöpfers - Plädoyer für eine ökologische Ethik aus orthodoxer Sicht". In München spricht er bei einem Symposium zum Thema "Nachhaltig leben - Schöpfung bewahren. Eine gemeinsame Herausforderung".

Das 74-Jährige Bartholomäus ist seit 1991 Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel und damit der 270. Nachfolger des Apostels Andreas, auf den sich die Ostkirche gründet. Er studierte in Rom, München und Thessaloniki. 1970 wurde der promovierte Kirchenrechtler Archimandrit, zwei Jahre später Metropolit von Philadelphia und 1990 Metropolit von Chalcedon. Fast zwei Jahrzehnte war Bartholomäus enger Berater des Patriarchen Dimitrios, dessen Nachfolger er wurde.

Am wenigsten Anerkennung erfährt das Oberhaupt, dem direkt 3,5 Millionen orthodoxe Christen in Nordostgriechenland, auf Kreta, einigen Ägäis-Inseln sowie in der griechischen Diaspora weltweit unterstehen, hingegen in der ganz überwiegend islamischen Türkei. Die Behörden sehen ihn lediglich als Oberhaupt von rund 3.000 griechisch-orthodoxen Christen in dem Land. Wie andere nichtmuslimische Minderheiten in der Türkei sieht sich auch das Patriarchat bedrängt. Seit 1971 etwa ist das orthodoxe Priesterseminar Chalki geschlossen, und alle Appelle an Ankara, die Ausbildungsstätte für den Theologennachwuchs wieder zu eröffnen, fanden bisher kaum Gehör.


Quelle:
epd , KNA