Pater lobt Erzbischof Kochs Worte zur Segnung Homosexueller

"Der Spagat ist nicht leicht"

Im Erzbistum Berlin will Erzbischof Heiner Koch Segnungen von homosexuellen Paaren nicht sanktionieren. Die Gemeinde Sankt Canisius bietet das schon seit Jahren an. "Ein Stück Normalität", sagt Pater Manfred Hösl.

Symbolbild Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Jose Luis Carrascosa (shutterstock)
Symbolbild Homosexuelles Paar mit Regenbogenfahne / © Jose Luis Carrascosa ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie bieten schon seit fünf Jahren am Valentinstag Segensfeiern für Liebende an, auch für homosexuelle Paare, oder?

Segnungsfeier für Homosexuelle / © Melanie Lemahieu (shutterstock)
Segnungsfeier für Homosexuelle / © Melanie Lemahieu ( shutterstock )

Pater Manfred Hösl (Leitender Pfarrer in Sankt Canisius Berlin): Seit fünf Jahren machen wir hier Gottesdienstformate, mit denen wir Leute versuchen zu erreichen, die über die üblichen Gottesdienste nicht mehr erreicht werden.

Einer ist der Valentinstag. Den haben wir praktisch von den Floristen zurückgeholt. Da bieten wir eine persönliche Segnung an. Die Leute kommen entweder alleine, paarweise oder als Familie.

Da weiß man gar nicht, ob die Leute geschieden, wiederverheiratet, homosexuell, heterosexuell oder was auch immer sind. Es ist auch gar nicht die Gelegenheit da, danach zu fragen.

Wir machen auch seit Jahren einen Tiersegnungsgottesdienst, wo wir Herrchen und Frauchen und die Tiere segnen. Warum soll ich dann nicht die Menschen, die zu uns kommen, segnen?

Pater Manfred Hösl

"Hier in Berlin ist der Spagat zwischen extrem liberalen Milieus und extrem konservativen Milieus sehr groß. Da ist der Erzbischof nicht zu beneiden."

DOMRADIO.DE: Vor fünf Jahren ist Pater Jan Kauditschke wegen der ersten Segensfeier noch zum Erzbischof zitiert worden. Wie war das damals? 

Hösl: Bei der Aktion unter dem Motto "Liebe gewinnt" hat Pater Korditschke damals im Einverständnis mit der ganzen Kommunität der Jesuiten an Sankt Canisius mitgemacht. Insgesamt gab es zwei oder drei Gemeinden hier in Berlin, die das angeboten haben.

Er ist zum Erzbischof zitiert worden, aber es ist ihm auch damals nicht verboten worden. Wir haben diesen Gottesdienst dann hier mit großem Erfolg und großem Medienecho durchgeführt. Medien aus ganz Europa waren hier und haben Pater Korditschke in Beschlag genommen.

Seitdem hat zusätzlich auch zweimal eine Messe anlässlich des Christopher Street Days stattgefunden. Das ist jetzt ein Stück Normalität geworden, würde ich sagen. Es gab beim ersten Mal eine kleine Gegendemo. Aber da sind wir dann rausgegangen und haben auch denen die Kommunion angeboten. Inzwischen ist das hier ein normales Baustein-Modul unseres Jahres. 

Homosexuelles Paar in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Homosexuelles Paar in einer Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie erleichtert es offensichtlich auch ein bisschen, dass die Segensfeiern jetzt ganz offiziell vom Erzbischof nicht sanktioniert werden. Wie wird der Brief des Erzbischofs in den Gemeinden aufgenommen? Gibt es Kontroversen oder wird es überall begrüßt? 

Hösl: Hier in Berlin ist der Spagat zwischen extrem liberalen Milieus und extrem konservativen Milieus sehr groß. Da ist der Erzbischof nicht zu beneiden. Wenn er es den einen recht macht, dann ist es schwierig für die anderen. Er muss dazwischen lavieren. Das ist nicht leicht.

Wir haben hier eine große Gruppe von Priestern des Neokatechumenats, die mehrheitlich doch eher konservativ ausgerichtet sind.

Umgekehrt ist die Stadt sehr liberal oder sehr säkular ausgerichtet. Wir versuchen hier in Sankt Canisius, mehr die liberalen, die säkularen Milieus zu erreichen. Manchmal würde ich mir wünschen, dass der Erzbischof uns ein bisschen mehr entgegenkommen würde. Aber ich vermute, das werden die vom Neokatechumenat auf der anderen Seite auch sagen. 

Pater Manfred Hösl

"Die wollen gar nicht die Regenbogenfahne und das große Kino, sondern die treiben dieselben Themen um, die alle Christen umtreiben."

DOMRADIO.DE: Wie groß ist denn bei Ihnen in der Gemeinde die Resonanz der Segnungsfeiern für Liebende? 

Hösl: Da kommen schon viele Leute. Nur, die kommen natürlich aus ganz Berlin. Ich würde das Bedürfnis von homosexuellen Menschen, zu heiraten oder besonderen Segen zu bekommen, nicht so hoch veranschlagen. So viele sind es nicht, die heiraten wollen oder sich segnen lassen wollen.

Beim Christopher Street Day oder am Valentinstag ist die Kirche natürlich voll. Aber die Leute kommen auch aus ganz Berlin. 

DOMRADIO.DE: Für wann haben Sie die nächste Segensfeier geplant? 

Hösl: Die nächste ist auf jeden Fall der Valentinstag. Über das Jahr verteilt gibt es zwei oder drei weitere Segnungsfeiern, je nachdem, ob jemand damit an uns herantritt. Aber es ist nicht so, dass solche Feiern jede Woche oder jeden Monat stattfinden. So groß ist die Nachfrage nicht.

Zu unseren regelmäßigen Gottesdiensten kommen immer auch schwule Menschen oder lesbische Menschen oder Transmenschen. Die gehören dazu und wollen auch ein Stück Normalität. Die wollen gar nicht die Regenbogenfahne und das große Kino, sondern die treiben dieselben Themen um, die alle Christen umtreiben. Woher komme ich, wozu bin ich da? Wo geht es mit mir mal hin? Wie kann ich leben angesichts des Leides?

Diese Fragen sind ja unabhängig von dieser Geschlechterfrage. Fragen wie: Bin ich homosexuell oder heterosexuell? Bin ich im richtigen Körper oder fühle ich mich im falschen Körper? Das sind wichtige Fragen.

Aber diese genuin religiösen, großen Fragen haben doch alle Menschen. Die versuchen wir hier vorrangig zu bedienen oder einen Antwortversuch zu wagen. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Erzbistum Berlin

Das Erzbistum Berlin umfasst das Land Berlin, den größten Teil Brandenburgs sowie Vorpommern und einen kleinen Teil Sachsen-Anhalts. In seinen Kirchengemeinden leben rund 400.000 Katholiken, davon rund 312.000 in Berlin. Während die Zahl der Katholiken im Raum der Bundeshauptstadt wächst, geht sie in den ländlichen Gebieten zurück. In seiner jetzigen Form wurde das Erzbistum 1994 errichtet. Erzbischof Dr. Heiner Koch übernahm die Bistumsleitung am 19. September 2015. Bischofssitz ist die St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin-Mitte.

Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 (shutterstock)
Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 ( shutterstock )
Quelle:
DR