Pater Hagenkord zum Treffen des Papstes mit Missbrauchsopfern

Mehr als Symbolik

Mit Demut und klaren Worten hat Papst Franziskus Missbrauchsopfer um Vergebung gebten. Ein wichtiges Zeichen, meint der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord, im domradio.de-Interview.

Pater Bernd Hagenkord (rv)
Pater Bernd Hagenkord / ( rv )

domradio.de: Der Papst hat bei dem Gottesdienst, den er mit den sechs Betroffenen vor den Gesprächen gefeiert hat, davon gesprochen, dass die Opfer auf dem Gewissen der ganzen Kirche lasten würden. Wie ernst ist Franziskus die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale?

Bernd Hagenkord: Ich glaube, an diesen Tagen kann man ablesen, dass es ihm sehr ernst ist. Er will strukturell etwas verändern und hat eine Kommission einberufen, die sich direkt im Zentrum der Weltkirche mit dem Thema befassen soll. An den langen Gesprächen mit den Betroffenen und seiner Predigt sieht man zudem, dass es ihm auch persönlich und geistlich ernst ist.

domradio.de: Der emeritierte Papst Benedikt hat sich mehrmals in seiner Amtszeit mit Missbrauchsopfern getroffen – das erste Mal 2008. Jetzt hat sich Franziskus als Papst erstmalig die Zeit genommen, um mit den Opfern zu sprechen. Haben diese Treffen nur symbolischen Wert oder dienen sie auch einem gesteigerten Problembewusstsein innerhalb der Kirche?

Hagenkord: Letzteres ist auf jeden Fall so. Wenn ich den Papst sehe, wie er das tut, und wie er sehr klare Worte, auch geistliche Worte findet, theologische Worte findet, dann kann man das nicht mehr nur als symbolisch betrachten, das ist mehr. Wenn er sagt, dass das nie wieder passieren darf, dass das Sünde ist, dass das das Antlitz Gottes beschmutzt, dann ordnet er das irgendwo ein, wo man nicht mehr weggucken kann und darf. Und das ist mehr als symbolisch. Allerdings muss man auf der anderen Seite auch sagen, Papst Benedikt hat richtigerweise gesagt, dass sei taktlos. Das hat man in Deutschland ja kaum wahrgenommen. Als es 2010 bei uns mit der Debatte losging, da hieß es immer, warum macht denn Papst Benedikt nichts. Man hat kaum wahrgenommen, dass er schon vorher etwas getan hat. Man darf das nicht überbewerten, dass der Papst das jetzt macht, ist richtig und wichtig, aber es ist nicht alles, was da geschehen muss.

domradio.de: Bereits am Sonntag hatte sich die vatikanische Kinderschutzkommission getroffen, die das Treffen vorbereitet hat. Immer wieder gab es ja die Vorwürfe – zuletzt auch aus Reihen der UN ‑, die Kirche würde nicht ernsthaft genug gegen Missbrauch vorgehen. Wie ist da Ihr Eindruck?

Hagenkord: Die UN-Vorsitzende muss man sich genauer anschauen – ich halte die nicht für sehr informiert, um das vorsichtig zu sagen. So ist die Struktur der Kirche, das ist kein zentral geführtes Unternehmen, wo einer von ganz oben nach ganz unten durchregieren kann. Auf der anderen Seite muss man sagen, es ist wichtig, dass es auch zentral und koordinierend eine Kommission gibt, die aus den verschiedensten Gegenden der Erde Dinge zusammenträgt. Der Vatikansprecher Lombardi hat gesagt, Irland, England und Deutschland sind als Herkunftsländer der Opfer ausgewählt worden, weil es da schon Strukturen zur Aufarbeitung von Missbrauch gibt. Es gebe aber auch Länder, wo es das noch nicht gibt. Umso wichtiger ist es eben, dass auch im Vatikan ernst gemacht wird und gesagt wird, wir müssen das auch durchsetzen, das ist nicht nur einfach ein Vorschlag, sondern Kinderschutz und Institutionen zur Aufarbeitung müssen da sein, die müssen aufgebaut werden. Und da ist es sehr hilfreich, dass es die Kommission gibt und dass der Papst sehr deutlich macht, wie wichtig ihm das Anliegen ist.

Das Interview führte Susanna Gutknecht.


Quelle:
DR