Papst zum Abschluss seiner Nahost-Reise in der Grabeskirche

Rückkehr zu den Ursprüngen

Mit einem eindringlichen Appell zur Ökumene hat Papst Benedikt XVI. die letzte Station seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land absolviert. Es gelte, jedes innere und äußere Hindernis für ein gemeinsames Bekenntnis zu Christus zu überwinden, sagte das Kirchenoberhaupt am Freitag in der Jerusalemer Grabeskirche.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Am Ende seiner Pilgerreise stand der Weg zum Mittelpunkt des christlichen Glaubens: Mehrere Minuten kniete Papst Benedikt XVI. in der kleinen Grabkammer, in die nach der Überlieferung der Leichnam Jesu gelegt wurde - und Christus auferstand. Die gefalteten Hände auf die Marmorplatte über der Grabbank gestützt, verharrte der Papst lange schweigend im Gebet. Vor der kleinen Kapelle, die das antike Grab heute umgibt, sangen die Franziskaner das Te Deum, den großen Lobeshymnus an den Gottessohn.

An dieser Stelle, so das Kirchenoberhaupt anschließend in seiner Ansprache, habe einst staunend der Jünger Petrus gestanden. "Heute, etwa zwanzig Jahrhunderte später, steht Petri Nachfolger, der Bischof von Rom, vor demselben leeren Grab und betrachtet das Geheimnis der Auferstehung." Christus sei auch heute noch die "Quelle des Friedens, der alles Verstehen übersteigt - der Friede des neuen Jerusalem".

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, versicherte dem Papst in seinem Grußwort, dass die Kirche im Heiligen Land immer wieder zu dieser Quelle zurückkehre: "Weder der Konflikt noch die Besatzung, weder die Mauer, die Kultur des Todes oder die Abwanderung der Christen können unsere Moral schwächen und uns von der Freude der Auferstehung trennen", sagte er in Anlehnung an ein Paulus-Zitat - und schlug damit die Brücke zum Leben seiner Gläubigen vor Ort.

Die steilen Marmorstufen hinauf zum Golgotha-Hügel
Am Ende stieg Benedikt XVI. die Heilsgeschichte sozusagen noch einmal zurück: die steilen Marmorstufen hinauf zum Golgotha-Hügel. Der liegt ebenfalls unter dem Dach der Grabeskirche. Auch hier nahm er sich Zeit, im Blitzlichtgewitter der Kameras still vor der Stelle kniend, wo das Kreuz Jesu gestanden haben dürfte. Vor ihm ragte groß eine Kreuzes-Ikone auf und erinnerte daran, dass die griechisch-orthodoxe Kirche diesen Ort in der Kirche betreut. Griechische Mönche reichten dem Papst eine lange, schmale Kerze, die er nach östlicher Tradition anzündete und in eine Sandschale neben dem Altar steckte.

Vertreter von insgesamt sechs Konfessionen begleiteten das Kirchenoberhaupt durch die Grabes- oder Auferstehungskirche - all jener Konfessionen, die in der alten, verwinkelten Basilika zu Hause sind. Das bedeutendste Heiligtum der Christenheit ist damit gleichzeitig Zeichen der Ökumene und der Zerrissenheit. Denn das Miteinander der "Grabeskirchen-Bewohner" ist immer wieder getrübt von Reibereien und Streit. Vor diesem Hintergrund zeigte die Herzlichkeit, mit der der Papst empfangen wurde, dass die Fortschritte im ökumenischen Dialog die Rückschläge durchaus überwiegen.

Die Bedeutung der Einheit für die Mission der Kirche hatte Benedikt XVI. beim ökumenischen Treffen vor seinem Gang zur Grabeskirche unterstrichen: "Unser brennendes Verlangen, Christus zu anderen zu bringen und seine Botschaft der Versöhnung bekanntzumachen, lässt uns die Scham über unsere Trennung spüren", sagte er zu den im griechisch-orthodoxen Patriarchat versammelten Vertretern der Kirchen Jerusalems. Die verschiedenen Konfessionen hätten die Pflicht, ihre "Anstrengungen zur Vervollkommnung der Gemeinschaft zu verdoppeln".

"Die Bürden einstiger Missverständnisse überwinden"
Begleitet von der Ehrengarde der Franziskanerkustodie, die mit metallbeschlagenen Stöcken auf den Boden stampfte, wurde der Papst schließlich zum armenischen Patriarchat geführt - durch die ausgestorbenen Gassen der Jerusalemer Altstadt, die die israelische Polizei zum Schutz vor Anschlägen bereits in der Nacht abgeriegelt hatte.

In der ehrwürdigen Jakobus-Kathedrale der orthodoxen Armenier, einst eine Kreuzfahrerkirche, drängte Benedikt XVI. noch einmal, "die Bürden einstiger Missverständnisse zu überwinden". Dann verließ er die Altstadt Jerusalems, auf die er auf dem Weg zum Flughafen vom Hubschrauber aus noch einen letzten Blick werfen konnte.

Abschied am Mittag live im domradio
Am Mittag verabschieden Israels Staatspräsident Schimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Papst am Flughafen Tel Aviv. Gegen 15.50 Uhr wird Benedikt XVI. in Rom zurückerwartet. Seine zwölfte Auslandsreise galt als bislang schwierigste Mission seines Pontifikats.

Zu den Höhepunkten der Reise zählten etwa der Moscheebesuch in der jordanischen Hauptstadt Amman und die Ehrung der jüdischen NS-Opfer in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Weitere wichtige Stationen waren sein Aufenthalt im palästinensischen Westjordanland und der Besuch der christlichen heiligen Stätten. Bei mehreren Gottesdiensten und Treffen mit religiösen und politischen Führern in der Region rief der Papst zum interreligiösen Dialog und zum Frieden in Nahost auf. Zugleich ermutigte er die Christen, trotz widriger Umstände im Heiligen Land zu bleiben.

Der Termin des Abflugs nimmt Rücksicht auf den jüdischen Schabbat, der am Freitagnachmittag beginnt. Eine Boeing 777 der israelischen Fluggesellschaft El Al bringt das Kirchenoberhaupt nach Rom zurück. Die 20 Flugbegleiter des Sonderflugs LY-2009 umfassen Angehörige der drei Weltreligionen.

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